Herber Rückschlag für die Mieter der Calvinstraße 21: Das Landgericht Berlin erklärte ihre Mietminderung wegen Baulärms und anderen Beeinträchtigungen für unrechtmäßig. Auch die zugemauerten Fenster müssen nicht wiederhergestellt werden. Setzt sich diese Rechtsansicht durch, wird das Minderungsrecht der Mieter stark eingeschränkt.
Die Mieter der Calvinstraße 21 in Moabit sind seit 2009 zeitweise extremem Baulärm ausgesetzt: Ihr Hauseigentümer hat links von ihnen das Nachbarhaus entkernt und aufgestockt, hinter dem Haus eine Tiefgarage gebaut und rechts einen Neubau errichtet. Dabei wurden kurzerhand Küchen- und Badfenster einer bewohnten Wohnung zugemauert. Hinzu kamen weitere Schikanen wie der Ausbau des Aufzugs und das Versperren des Kellers (das MieterMagazin berichtete in den Ausgaben 1+2/2012, 4/2012, 9/2012 und 3/2013). Etliche Mieter haben das Handtuch geworfen, doch sechs der 15 Mietparteien halten bis heute aus.
Die Mieter minderten in der Vergangenheit die Miete um bis zu 20 Prozent. Das Amtsgericht Tiergarten gab ihnen darin recht und ordnete auch die Wiederherstellung der zugebauten Fenster an. In der Berufung hat die 63. Kammer des Landgerichts jedoch am 7. Mai entschieden, dass die Minderung der Miete wegen Baulärms nicht in Frage kommt. Allenfalls für die Schäden im Treppenhaus könnte die Miete um drei Prozent gemindert werden. Die Mauer, mit der die Fenster verschlossen wurden, dürfe stehen bleiben. Das Landgericht sprach dieser Mieterin das Recht zu, die Miete deswegen um 20 Prozent zu mindern. In diesem Fall ließ die Kammer eine Revision zu, ansonsten schloss sie eine Überprüfung der Urteile vor dem Bundesgerichtshof aus.
In der Rechtsprechung hat sich schon seit einiger Zeit die Ansicht durchgesetzt, dass Großstadtmieter bei einer in der Nähe befindlichen Baulücke immer mit einer Bebauung rechnen müssen und deshalb die Miete nicht mindern können, wenn durch die Bauarbeiten Lärm und Schmutz entstehen. „Es ist aber absurd, dass Mieter nach dieser neuen Rechtsprechung immer auch damit rechnen müssen, dass im Hinterhof eine Tiefgarage gebaut oder ein Nachbarhaus entkernt oder aufgestockt wird“, sagt Reiner Wild, Geschäftsführer des Berliner Mietervereins.
„Wir sehen in dem Urteil eine erhebliche Einschränkung der Mieterrechte und hoffen, dass sich die anderen Kammern des Landgerichts der Meinung der 63. Kammer nicht anschließen“, erklärt Reiner Wild.
„Dass die Revision nicht zugelassen wurde, ist das größte Ärgernis“, meint Mieteranwalt Christoph Müller. Wo zwei Kammern so gegensätzlich urteilen, wäre eine Überprüfung vor dem Bundesgerichtshof angebracht. Eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision hat aber wegen des vergleichsweise geringen Streitwertes in der Sache Calvinstraße 21 voraussichtlich wenig Aussicht auf Erfolg.
Jens Sethmann
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MieterMagazin 6/13
Trotz massiver Belästigungen: Mietminderungen seien nicht gerechtfertigt, urteilte das Gericht
Foto: Sabine Münch
Aktenzeichen der fünf Urteile
vom 7. Mai 2013:
Landgericht Berlin
– 63 S 301/12 –
– 63 S 359/12 –
– 63 S 360/12 –
– 63 S 361/12 –
– 63 S 387/12 –
14.06.2016