Wenn Mieter von einer geplanten Sanierung ihres Hauses erfahren, ist das in vielen Fällen eine Hiobsbotschaft. Viele ergreifen dann lieber die Flucht als für eine gedämmte Fassade, neue Fenster und einen Aufzug doppelt so viel Miete zu zahlen wie zuvor. Oftmals gelingt es Eigentümern erschreckend schnell, das Haus leer zu bekommen – und die Wohnungen anschließend teuer zu vermieten oder zu verkaufen. Dabei gibt es für Mieter durchaus Mittel und Wege, um eine Sanierung zu erreichen, die auch in ihrem Sinne ist. Oft gelingt es durch zähes Verhandeln und öffentlichen Druck, den Vermieter zu Zugeständnissen zu bewegen. Eine Erfolgsgarantie gibt es nicht – wohl aber Beispiele, die Mut machen.
Von 305 auf 634 Euro sollte die Miete von Peter Schulz aus Charlottenburg nach der Sanierung steigen. Geplant war das komplette Programm: eine zentrale Heizungsanlage mit Warmwasserbereitung, Aufzug, Balkon, Wärmedämmung und neue Fenster. Für die meisten Bewohner war klar: Das können wir uns nicht leisten. Auch Peter Schulz sah sich nach einer neuen Wohnung im Kiez um – wurde aber gründlich desillusioniert, als er bei Wohnungsbaugesellschaften nach einer Eineinhalbzimmerwohnung in einem Innenstadtbezirk für maximal 380 Euro warm nachfragte. Als er kurz vor der Anmietung einer Wohnung im Randbezirk Hohenschönhausen stand, wurde er von einigen anderen Bewohnern im Haus angesprochen: Ob man sich das wirklich alles gefallen lassen sollte? Gemeinsam organisierte man eine Mieterversammlung, auf der ein Rechtsberater des Berliner Mietervereins (BMV) die Bewohner über ihre Rechte und Pflichten bei einer Modernisierung informierte. Peter Schulz trat in den Mieterverein ein und beschloss, um seine Wohnung zu kämpfen. Heute, nach abgeschlossener Modernisierung, bezahlt er 394 Euro warm für seine Eineinhalbzimmerwohnung.
Diese Mieterhöhung war zu verkraften
Wie das möglich war? „Mein Anwalt hat gefeilscht: Für jedes Zugetändnis meinerseits wurde die Modernisierungsumlage ein wenig gedrückt.“ Am Ende wurde eine Modernisierungsvereinbarung getroffen, die aus Sicht des Vermieters offenbar keine Nachahmer finden soll: Der Mieter musste eine Verschwiegenheitsklausel unterschreiben. Daher kann hier auch nicht sein Name genannt werden. Mit der Regelung ist er sehr glücklich: „Ich habe eine bezahlbare Wohnung im Kiez.“ Viele Mieter im Haus sind dagegen ausgezogen.
Die Chancen, eine solche Vereinbarung auszuhandeln, haben sich allerdings mit der Mietrechtsreform des vergangenen Jahres deutlich verschlechtert. Vor dem 1. Mai 2013 konnten Modernisierungsbetroffene unter Berufung auf finanzielle Härtegründe bestimmte Maßnahmen ablehnen. Jetzt kann der Vermieter die Bauarbeiten ungehindert durchführen, erst im Anschluss wird die finanzielle Situation des Mieters geprüft. „Früher gab es daher deutlich mehr Verhandlungsspielraum“, erklärt der Leiter der BMV-Rechtsabteilung Stefan Schetschorke.
Wenn der Vermieter sich nicht auf eine langwierige Duldungsklage einlassen wollte, tat er gut daran, sich mit dem Mieter zu einigen. Dieser Weg ist durch die neue Rechtslage verbaut. Heute bleibt den Rechtsberatern oft nichts anderes übrig, als sich auf Formalitäten zu konzentrieren. Auch das kann aber zu beachtlichen Erfolgen führen, wie das Beispiel einer Mieterin aus Zehlendorf zeigt. Über 1400 Euro hat sie zurückbekommen, weil der Instandhaltungsanteil in ihrer Modernisierungsmieterhöhung nicht nachvollziehbar aufgeschlüsselt war – „ein typischer Fehler in der Ankündigung“, wie BMV-Rechtsberaterin Barbara Vogt erklärt. Instandsetzungskosten dürfen nämlich grundsätzlich nicht als Modernisierungskosten umgelegt werden. Wird – wie in diesem Fall – die Fassade gedämmt, muss der Anteil, den es gekostet hätte, die Fassade instandzusetzen, abgezogen werden. In der Regel neigen Vermieter dazu, diesen fiktiven Anteil zu niedrig anzugeben. „Nach der Rechtsprechung muss der Vermieter nachvollziehbar darlegen, wieso er eine bestimmte Summe angesetzt hat“, so Vogt. Die BMV-Rechtsberaterin wies die Modernisierungsmieterhöhung im geschilderten Fall daher wegen formaler Mängel zurück. Der Eigentümer reichte daraufhin eine Klage ein, zog sie aber nach einiger Zeit zurück – für die Mieterin ein guter Ausgang dieses Sanierungsfalles.
Die Zurückweisung wegen Formalien wird aber ebenfalls zunehmend schwieriger, wie BMV-Abteilungsleiter Stefan Schetschorke erklärt. Immer mehr Vermieter beauftragen Anwälte, die sich auf die Erstellung von Modernisierungsankündigungen spezialisiert haben. Die verschicken dann 25-seitige Schreiben, die nicht angreifbar sind. Eine Ablehnung aus inhaltlichen Gründen verspricht ohnehin meist keinen Erfolg. Ob Aufzug, Gegensprechanlage oder nachträglicher Einbau eines Balkons – in der Regel müssen solche Wohnwertverbesserungen geduldet werden. Das gleiche gilt für Maßnahmen zur Energieeinsparung. Juristisch lässt sich hier wenig ausrichten.
Aber es gibt noch andere Möglichkeiten, wie eine erstaunliche Erfolgsgeschichte aus der Künstlerkolonie in Wilmersdorf beweist. Durch ein gut organisiertes gemeinsames Vorgehen konnte hier eine unsinnige, kostentreibende Modernisierung verhindert werden.
An einem Strang gezogen
Im Juni 2013 hatten die Mieter von ihrem Vermieter, der Deutschen Annington, ein Schreiben mit der Ankündigung einer Wärmedämmung bekommen. „Unsere Häuser haben definitiv Sanierungsbedarf, aber 42 Zentimeter dicke Wände zu dämmen macht überhaupt keinen Sinn“, sagt einer der Bewohner. Die vorgelegten Berechnungen der beauftragten Firma zur möglichen Energieeinsparung seien höchst fragwürdig gewesen. Als Glücksfall erwies sich, dass in der Siedlung viele Architekten, Ingenieure, Rechtsanwälte und Medienschaffende wohnen. Außerdem gibt es einen engagierten Mieterbeirat. Schon bald setzte man sich zusammen, führte Gespräche mit dem Bauleiter und erarbeitete ein Gegengutachten.
Gleichzeitig nahm der Mieterbeirat Kontakt zum Denkmalamt auf und bemühte sich um Unterstützung durch Abgeordnete. Als dann die schriftlichen Einwände der Mieter zeitgleich per Boten zum Vermieter geschickt wurden, horchte die Annington-Geschäftsleitung auf: „Da hat man schon gemerkt, dass wir an einem Strang ziehen“, erläutert einer der aktiven Mieter. Unter den rund 1400 Bewohnern sind viele im Berliner Mieterverein organisiert oder auch anderweitig rechtsschutzversichert. „Wir haben dem Wohnungsunternehmen klar gemacht, dass wir alle Möglichkeiten ausschöpfen und notfalls auch vor Gericht gehen, wenn die Modernisierungspläne unverändert durchgeführt werden sollten.“ Aber soweit kam es dann nicht. Die Annington zeigte sich kompromissbereit und lud die streitbaren Mieter zum Gespräch. Es wurde eine recht eindrückliche Unterredung, denn wie sich herausstellte, wussten die Mieter über den Aufbau der Kellerdecke und andere bauliche Gegebenheiten besser Bescheid als der leitende Architekt der ausführenden Baufirma. Die vorgesehene Dämmung der Fassade wurde daraufhin abgeblasen, lediglich das Dach wird isoliert. „Ein guter Deal“, finden die engagierten Mieter. „Unsere Argumente haben überzeugt – insgesamt hat sich die Annington in diesem Fall sehr entgegenkommend verhalten“, betont einer der Aktiven. Das Problem sei in diesem Fall allerdings eher die beauftragte Baufirma gewesen, die offenbar einen dicken Auftrag an Land ziehen wollte.
Öffentlicher Druck und gute Vorbereitung haben in diesem Fall den Erfolg gebracht, meint BMV-Rechtsberater Thomas Florange, der die Mieterinitiative unterstützt hat: „Der Vermieter hat schon auf der Mieterversammlung gemerkt, dass es ordentlich Gegenwind gibt.“ Möglicherweise fürchtete die Annington auch Negativ-Schlagzeilen – immerhin gibt es in der Künstlerkolonie viele Bewohner, die für Funk und Fernsehen arbeiten. Juristisch hätte Florange außer dem Einwand von Härtegründen kaum etwas in der Hand gehabt.
Welche Strategie sollten Mieter also wählen, um ein möglichst gutes Ergebnis zu erzielen? Das kommt auf die Intention des Vermieters an, erklärt Schetschorke: „Hat man es mit einem redlichen Vermieter zu tun, kann man mit einer rechtlichen Argumentation schon das Eine oder Andere herausholen.“ Beispielsweise müssen Grundrissänderungen nicht geduldet werden. Hier hat man ein Mittel in der Hand, um die Zustimmung zu diesem Umbau an andere Zugeständnisse zu knüpfen. Geht es dem Vermieter dagegen um die Umwandlung, sprich: die gewinnbringende Weiterveräußerung der Wohnungen, macht es meist keinen Sinn, über Details der Modernisierung zu streiten. Der Film „Betongeld“ zeigt eindrücklich, dass selbst einer gut informierten, wehrhaften Hausgemeinschaft am Ende nichts anderes übrig bleibt, als sich auf eine Abfindung einzulassen – die Gewinnmargen für Leerwohnungen sind nun mal deutlich höher als bei bewohnten.
Sanierungsziel Entmietung?
Entsprechend groß ist der Druck, der auf Mieter ausgeübt wird, um sie zum Auszug zu bewegen. In der letzten Zeit häufen sich die krassen Fälle von Entmietungsterror. Die – eigentlich aus vielen Gründen sinnvolle – energetische Sanierung wird oft als Vorwand benutzt, um Mieter durch horrende Mietsteigerungen loszuwerden. „An solch kaltschnäuzigen Investoren perlt selbst öffentlicher Druck ab“, weiß Rechtsberater Schetschorke. Hier mache es unter Umständen mehr Sinn, eine hohe Abfindung auszuhandeln, als sich in Verhandlungen über die Modernisierungspläne zu stürzen.“
Bei städtischen Wohnungsbaugesellschaften ist die „Raus“-Modernisierung zumeist kein Thema. Sie ziehen auch nur ungern vor Gericht. Das sind gute Voraussetzungen, um eine faire Modernisierungsvereinbarung auszuhandeln.
Wenn keine ordnungsgemäße Modernisierungsankündigung vorliegt und trotzdem mit den Bauarbeiten begonnen wird, ist eine einstweilige Verfügung ein probates Instrument, um Bewegung in die Sache zu bringen und eine gewisse Verhandlungsbereitschaft zu erzeugen. „Ein Baustopp gefällt Eigentümern gar nicht – das geht ins Geld“, so Stefan Schetschorke. Sein Rat: Gerade weil es so wenig rechtliche Möglichkeiten gibt, sollte man sich in fachlich kompetente Hände begeben.
Wie viel Durchhaltevermögen notwendig ist, um all das durchzustehen, zeigt der Fall Stuttgarter Platz 2. Vor zwei Jahren fanden sich die Bewohner noch unter einem gemeinsamen Entschluss („Wir bleiben alle!“) zusammen, wie ein Bild im MieterMagazin dokumentiert. Inzwischen sind von 24 Mietern nur fünf übriggeblieben. Der Rest ist ausgezogen – gegen Abfindung oder weil sie Baulärm, verhängte Fenster und tagelang abgestelltes Wasser nicht mehr aushielten. „Ich hätte nicht gedacht, dass so viele gehen“, räumt Frank Kallinowski, einer der fünf „letzten Mohikaner“ ein. Dem Eigentümer sei es von Anfang an darum gegangen, das Haus leer zu bekommen, sagt Kallinowski. Etliche Tageszeitungen berichteten über den Fall, auch Fernsehsender waren da. Kallinowski führt außerdem einen Blog, mit dem er sich gegen die Schikanen seines Vermieters wehrt. Während seine vier Nachbarn nach langem Kampf zufriedenstellende Modernisierungsvereinbarungen abschließen konnten, hat er als „Rädelsführer“ eine zweite Modernisierungsankündigung nach neuem Mietrecht bekommen. Das Resümee nach fast abgeschlossener Modernisierung fällt zwiespältig aus: Auf der einen Seite hat es der Vermieter geschafft, das Haus fast leer zu bekommen und seine geplanten Maßnahmen – bis auf Grundrissänderungen – durchzuführen. Auf der anderen Seite haben sich die verbliebenen Mieter eine bezahlbare Miete erkämpft. Bei Frank Kallinowski ist der Ausgang allerdings noch völlig ungewiss. Er hat finanzielle Härtegründe geltend gemacht, über die erst nach Zugang der modernisierungsbedingten Mieterhöhung abgerechnet wird. Sein Fazit: „Sich zu wehren, kostet enorm viel Kraft und Zeit.“
Das können die Bewohner der Raumerstraße 13 nur bestätigen. Der noch unsanierte Altbau direkt am Helmholtzplatz soll demnächst umfassend saniert und modernisiert werden. Einmal pro Woche treffen sich die Mieter, um Neuigkeiten auszutauschen und das weitere Vorgehen abzustimmen. „Wir haben zum Glück eine gute Hausgemeinschaft, die Aktiven ziehen die etwas Ängstlichen mit“, berichtet eine Bewohnerin. Viele haben Angst, die Miete nach der Sanierung nicht mehr bezahlen zu können. Eine Familie zahlt derzeit 500 Euro für ihre 100 Quadratmeter große Wohnung, nach der Modernisierung sollen es 1000 Euro sein. Dabei haben sie es nicht mit einem üblen Spekulanten zu tun, sondern mit der städtischen Wohnungsbaugesellschaft Gewobag. Zudem liegt das Haus im Sanierungsgebiet. Die „Mieterberatung Prenzlauer Berg“ ist mit der Durchführung eines Sozialplanverfahrens beauftragt und soll auch Umsetzwohnungen vermitteln. Weil die Bauarbeiten sehr aufwendig sind, müssen die Mieter für voraussichtlich eineinhalb Jahre in eine andere Wohnung ziehen. „Wir wollen uns ja einigen, aber wir wollen weder ein fensterloses Treppenhaus noch eine Kunststoffverkleidung an der Fassade“, empört sich eine Bewohnerin. In mehreren Schreiben an die Gewobag und an Baustadtrat Jens-Holger Kirchner (Bündnis 90/Die Grünen) protestierten die Mieter gegen den Aufzugeinbau, durch den die Fenster im Treppenhaus wegfallen würden. „Nach der Berliner Bauordnung ist das gar nicht zulässig“,sagt BMV-Rechtsberater Thomas Fischer-Lück, der mehrere Mieter vertritt.
Modernisierung mit Verdunkelungsgefahr
Die Gewobag argumentiert, dass der Aufzug wegen des Dachgeschossausbaus notwendig sei. Baulich gebe es keine andere Lösung, als ihn vor die Fenster zu setzen. Zudem wolle man in jedem zweiten Geschoss die Fenster durch „Glasbausteine“ ersetzen. Zwar liegt noch keine Baugenehmigung vor, doch Baustadtrat Kirchner hat bereits signalisiert, dass er keine Einwände gegen ein fensterloses Treppenhaus habe. Beim BMV kann man diese Haltung juristisch nicht nachvollziehen. Fischer-Lück ist daher optimistisch, dass der Fahrstuhleinbau verhindert werden kann. Bei der ebenfalls umstrittenen Dämmung der hofseitigen Fassade sieht das aber wohl anders aus. Hier hatten die Mieter zwar ein Gutachten eingeholt, wonach die Dämmung mit umweltfreundlichen Materialien genau so viel Energieeinsparung erbringen würde wie eine solche mit Kunststoff. Doch das Wohnungsunternehmen hat das Kosten-Argument auf seiner Seite: „Naturdämmstoffe würden die Baukosten um circa 30 Prozent erhöhen“, so Pressesprecherin Gabriele Mittag gegenüber dem MieterMagazin. Sie weist auch den Vorwurf einer nicht sozialverträglichen Sanierung zurück: Zum einen würden noch Fördermittel beantragt, durch die sich die Miete reduziere. Zum anderen gebe es eine Kappung: Wenn die Modernisierungsmiete die ortsübliche Vergleichsmiete zuzüglich einer Betriebskostenersparnis von 30 Cent pro Quadratmeter übersteigt, wird die Miete begrenzt. Das sei zwar nicht in den Modernisierungsankündigungen ausgewiesen, die Mieterberatung Prenzlauer Berg habe das jedoch in Einzelgesprächen mit den Mietern erläutert.
Dennoch: Teurer wird es für die Mieter der Raumerstraße 13 auf jeden Fall. „Kämpfen Sie um jede einzelne Maßnahme!“ hat BMV-Rechtsberater Fischer-Lück den Mietern bei einer Vor-Ort-Unterredung geraten. Das wichtigste Druckmittel sei die Zeit. Fischer-Lück: „Sie haben Zeit, der Vermieter hat keine Zeit, weil er mit den Baumaßnahmen loslegen will.“ Grundsätzlich sei es empfehlenswert, sich als Hausgemeinschaft zusammenzutun. Internet-Blogs, wie sie viele von Verdrängung betroffene Häuser haben, seien ebenfalls ein gutes Mittel, um Öffentlichkeit herzustellen.
Eine Gewähr für den Erfolg gibt es natürlich nicht. Doch wie heißt es so schön: Wer nicht kämpft hat schon verloren.
Birgit Leiß
Widerstand auf breiter Basis
Wenn größere Siedlungen oder Wohnblöcke von einer besonders preistreibenden Modernisierung betroffen sind, mischt sich mitunter das jeweils zuständige Bezirksamt ein. Allerdings meist nur, wenn die Mieter, unterstützt von einzelnen Politikern oder dem Mieterverein, Druck machen.
So wurde am Mehringplatz in Kreuzberg kürzlich erreicht, dass ein privater Investor auf die Umlage für die energetische Sanierung komplett verzichtet hat – ein absoluter Glücksfall, der nur möglich war, weil die Häuser in einem festgelegten Sanierungsgebiet liegen. Denn deswegen musste der Bauherr eine baurechtliche Genehmigung einholen. Der Bezirk signalisierte, dass er die Genehmigung schnell und unkompliziert erteilt, wenn der Investor im Gegenzug auf die Umlage verzichtet. Weil es sich um eine Fondsgesellschaft handelte, die offenbar schnell investieren musste, kam der Deal zustande.
In Hohenschönhausen setzte der Bezirk mit einer Umstrukturierungssatzung eine sozialverträgliche Sanierung durch – allerdings erst, nachdem ordentlich Druck gemacht wurde. Ursprünglich hatte der Baustadtrat erklärt, man könne außer dem Einsetzen einer Mieterberatung nichts tun. Schließlich handele es sich um einen privaten Investor. Durch den nun 2013 geschlossenen öffentlich-rechtlichen Vertrag werden vor allem einkommensschwache Mieter geschützt.
Auch im Märchenviertel in Köpenick waren einige Vorbedingungen gegeben, damit es zu einer glücklichen Einigung kam – allen voran eine aktive Mieterinitiative, die sich schon bald nach den ersten Gerüchten um den Verkauf der insgesamt 700 Wohnungen zusammenschloss. „Am Anfang mussten wir herausfinden, was die überhaupt vorhaben und wie wir uns wehren können“, erklärt Lutz Czieselsky, Sprecher der Bürgerinitiative Mittelheide-Märchenviertel.
Und so nahm man Kontakt auf zu anderen Mieterinitiativen in der Stadt und suchte die Unterstützung durch den Mieterverein. „Viele unserer Nachbarn waren der Meinung, man könne sowieso nichts tun“, erzählt Czieselsky. Ihnen klarzumachen, dass sie nicht wehrlos sind, habe viel Mühe gekostet. Viele Monate lang wirbelten die engagierten Mieter. Mit Wurfzetteln wurden alle Nachbarn informiert, eine Mieterversammlung mit BMV-Geschäftsführer Reiner Wild fand statt, und es wurden Protestplakate an Straßenlaternen gehängt – die Kaufinteressenten, die in Scharen nach Köpenick marschierten, sollten schließlich informiert werden. Zudem wandte man sich mit der Bitte um Unterstützung an Stadtentwicklungssenator Müller und mehrere Bezirksverordnete. Der entscheidende Durchbruch kam jedoch durch einen Bericht im ARD-Magazin „Monitor“. Der Investorengruppe war der Medienwirbel unangenehm. Reiner Wild vom Mieterverein: „Für die Vermarktung von Eigentumswohnungen ist das keine gute Reklame – und Wohnungen in Köpenick verkaufen sich nun mal nicht so leicht wie in Prenzlauer Berg.“ Im Oktober 2013 wurde schließlich eine Rahmenmodernisierungsvereinbarung geschlossen, mit der die Mieter sehr zufrieden sind. „Wenn wir uns nicht gewehrt hätten, hätte ich 150 Euro Modernisierungsumlage gezahlt, jetzt sind es 29,38 Euro“, freut sich Czieselsky. Ein Wermutstropfen bleibt: Die Vereinbarung greift nicht für die gesamte Siedlung. Ein Teil der Investorengruppe hat nicht zugestimmt.
bl
MieterMagazin 7+8/14
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alle Fotos: Sabine Münch
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05.02.2018