Sieben Monate Bauzeit – und fertig ist das ganze Haus: In Reinickendorf wächst die erste von einem landeseigenen Wohnungsbauunternehmen errichtete Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge. Bereits im Dezember können hier 230 Menschen einziehen, die bisher in Massenunterkünften leben müssen. Das neue Gebäude ist nicht nur kostengünstig und schnell errichtet, sondern mit seinem durchdachten Grundriss auch nachhaltig nutzbar. Unaufwendig können hier einmal preiswerte Wohnungen entstehen.
Noch führen Holzstege in den Rohbau Bernauer Straße 138 A in Reinickendorf, aber schon im Dezember sollen in das neungeschossige Haus die ersten Bewohner einziehen – etwa 230 Geflüchtete aus Syrien, dem Irak, Afghanistan oder aus Pakistan.
Die Gemeinschaftsunterkunft für Geflüchtete in Reinickendorf ist die erste einer landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft. Die Gewobag errichtet sie in nicht einmal einem Jahr. Im Februar begann das beauftragte Architekten-Büro mit seinen Planungen, vier Monate später war die Bodenplatte gegossen, und eine Brandenburger Baufirma stellte ab dann Woche um Woche eine Rohbauetage fertig.
Keine Abstriche bei den Standards
Es funktioniert wie aus dem Modellbaukasten: Die vorgefertigten Wand- und Bodenelemente liefert ein Betonwerk, vor Ort an der Bernauer Straße werden Fenster und Türen in ausgesparte Öffnungen eingefügt. Dies geht Hand in Hand mit dem Innenausbau, der schon jetzt überlegte Grundrisse erkennen lässt. Im Erdgeschoss wird es Gemeinschaftsräume für die Bewohner des Hauses geben: Platz zum Spielen, Lernen und für Beratungen. Eine Werkstatt ist geplant, genauso wie Zimmer für Heimleitung und Personal.
Im zentralen Sanitärblock in der Mitte jeder Etage gibt es Dusch- und Waschräume für Frauen und Männer und auch einen Hauswirtschaftsraum mit Waschmaschinen. Um diesen Kern herum liegen jeweils zwölf Zimmer, die für zwei oder drei einzelne Bewohner beziehungsweise für Familien eingerichtet werden.
Es ist ein klarer Grundriss, der sich rasch und unkompliziert auch anderen Ansprüchen anpassen lässt. Wenn man die Holzständerwände herausnimmt und Balkone außen an die Fassade setzt, können hier einmal moderne Ein- bis Dreizimmerwohnungen entstehen, die zwischen 30 und 60 Quadratmetern groß sind. Und weil das Haus zwar allen geforderten baulichen und energetischen Standards entspricht, aber mit 1700 Euro pro Quadratmeter durchaus preisgünstig errichtet wurde, kann es nicht nur unterschiedlichen Wohnansprüchen, sondern auch einem kleineren Geldbeutel gerecht werden. Hier könnten Studenten einziehen, sich WGs zusammentun, Senioren leben oder auch Familien mit Kindern ein Zuhause finden.
Verglichen mit einem konventionellen Bau sei modulares Bauen nicht nur preisgünstiger, sondern eben vor allem viel weniger zeitaufwendig, betont Snezana Michaelis, leitende Bauingenieurin und Vorstandsmitglied bei der Gewobag: „Konventionell benötigt man allein für den Rohbau neun Monate!“ Am jetzigen Tempo habe allerdings auch die Effizienz vor Baubeginn einen entscheidenden Anteil, ergänzen die Planer. In Reinickendorf hätten nicht nur Gewerke, sondern auch Behörden zügig zugearbeitet: „Vier bis acht Wochen für alle Genehmigungsverfahren sind eine sensationell kurze Bearbeitungszeit“, erklärt einer der Architekten.
Das Gebäude wird nach seiner Fertigstellung durch die Gewobag erst einmal vom Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) übernommen und an einen Träger in der Flüchtlingshilfe übergeben. Es soll sich von Anfang an in seine Wohnumgebung einfügen und mit dem Spielplatz, einem Picknickplatz mit Bänken und einer Boule-Bahn auch die Bewohner umliegender Häuser einladen. Damit aus einem Nebeneinander hier auch eine gute Nachbarschaft werden kann.
Rosemarie Mieder
Bewährtes Verfahren
Bauen mit Modulen – mit vorgefertigten Teilen – hat eine lange Tradition. Die reicht von bahnbrechender Architektur wie dem „Chrystal Palace“ der Weltausstellung von 1851 bis hin zur Errichtung gewaltiger Siedlungen wie Marzahn. In Berlin will der Senat das effiziente und zeitsparende Verfahren nutzen, um tausende Flüchtlinge aus den Massenquartieren herauszuholen. An 60 Standorten werden die landeseigenen Unternehmen dafür Wohnhäuser errichten. Für acht solcher Gebäude erfolgt noch in diesem Jahr der erste Spatenstich.
rm
12.10.2016