Die längst überfällige Neuregelung der Mietrichtwerte für Hartz-IV-Empfänger liegt nunmehr auf dem Tisch. Doch wer gehofft hatte, dass die Debatte um explodierende Mieten und Verdrängung beim Berliner Senat Wirkung gezeigt hat, wird enttäuscht. Als völlig unzureichend kritisierten Mieter- und Vermieterorganisationen sowie Sozialverbände das bescheidene Ergebnis eines langen Entscheidungsprozesses.
Eins steht fest: Die neue Rechtsverordnung ist wesentlich komplizierter als die vorherige und wird den Jobcentern noch einiges Kopfzerbrechen bereiten. Statt einheitlicher Richtwerte je Haushaltsgröße wird nun zusätzlich differenziert nach Energieträger für die Heizung und Gebäudegröße. Galt beispielsweise für einen Single-Haushalt bislang eine maximale Warmmiete von 378 Euro, werden nun 380 bis 408 Euro übernommen, je nachdem, ob mit Heizöl, Erdgas oder Fernwärme geheizt wird.
„Maßgeblich ist die Gebäudefläche, die auf der Betriebskostenabrechnung angegeben ist“, erklärt die Presseabteilung von Sozialsenator Mario Czaja (CDU). Begründet wird diese Vorgehensweise mit den niedrigeren Heizkosten in großen Gebäuden. Für einen Zweipersonenhaushalt gilt seit 1. Mai eine durchschnittliche Warmmiete von 472,50 Euro als angemessen. Das sind 28,50 Euro mehr als bisher.
„Mit der jetzt beschlossenen Anhebung um 5 bis 7 Prozent wird kein Ausgleich für den Anstieg der Mieten geschaffen“, bemängelt der Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, Reiner Wild. Er fordert eine Erhöhung um 15 bis 20 Prozent. Schließlich sind die Bestandsmieten laut Mietspiegel seit 2005 um 17 Prozent gestiegen, auch die Nebenkosten sind nach oben geklettert. Noch dramatischer ist die Situation bei den Neuvermietungen.
Die Anhebung bleibe hinter der Entwicklung am Mietwohnungsmarkt zurück, heißt es auch beim Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU). Positiv sei jedoch die Kopplung der Richtwerte an den Mietspiegel: Damit werde sichergestellt, dass die Mietübernahmekosten in Zukunft regelmäßig überprüft werden und dass es nicht wieder zu einer Stagnation kommt. Denn abgesehen von den Single-Haushalten sind die Mietobergrenzen seit sieben Jahren unverändert geblieben, und infolgedessen liegen von den rund 320.000 Bedarfsgemeinschaften nunmehr fast 100.000 über den Richtwerten. Knapp 40.000 davon fallen unter eine Ausnahmeregelung, beispielsweise Alleinerziehende oder Behinderte. Der große Rest muss einen Teil der Miete aus eigener Tasche zahlen – oder ausziehen. Immerhin: Die geltenden Härtefallregelungen wird es auch weiterhin geben. Neu aufgenommen wurde die Möglichkeit, einen besonderen Wohnraumbedarf anzuerkennen für Elternteile, die regelmäßig das Umgangsrecht mit ihren Kindern wahrnehmen.
Anders als in den meisten anderen Kommunen wird es in der Hauptstadt auch künftig keine Quadratmeterbegrenzungen geben. „Es gelten zwar schon immer Richtwerte, aber solange die Miethöhe nicht überschritten wird, ist das kein Problem“, erklärt die Senatsverwaltung.für Soziales. Dem Land Berlin entstehen mit der Neuregelung zusätzliche Kosten in Höhe von etwa 11 Millionen Euro.
Auch künftig, so BMV-Chef Reiner Wild, werden Hartz-IV-Haushalte kaum Chancen haben, Wohnungen zu diesen Preisen zu finden. Der verfassungsrechtlichen Anforderung, den Betroffenen ein menschenwürdiges Existenzminimum zu garantieren, werde der Berliner Senat mit dieser Anhebung nicht gerecht.
Birgit Leiß
MieterMagazin 5/12
Den Mitarbeitern der Jobcenter beschert die neue Wohnkostenübernahme-Regelung deutlich mehr Arbeit
Foto: Sabine Münch
26.10.2017