Ob die Haltung von Hunden, Katzen oder Kindern – jeder noch so kleine Verstoß gegen die preußische Ruheordnung bringt einen in den Augen von Nachbarn und Vermietern ja sofort an die Grenze zur Asozialität. Zermürbender Kleinkrieg droht gar, wenn es um das leidige Thema des Abstellens von Kinderwagen im Treppenhaus geht.
Gesunden Menschenverstand kann man da nicht immer voraussetzen: Hausbesorger reiten gegenüber überforderten Müttern auf Paragrafen herum, die für Fälle arglistig zugemüllter Treppenhäuser und verstellter Fluchtwege im Brandfall ersonnen wurden. Susanne Haberlandt* sah sich wie viele andere Mütter nicht in der Lage, mehrmals am Tag ihr Kind in den zweiten Stock zu tragen und gleichzeitig dazu noch den Kinderwagen, ganz zu schweigen von Einkäufen und sonstigen Taschen, die man als Mutter von Kleinkindern mit sich herumschleppt. Die von der Hausverwaltung vorgeschlagenen Abstellplätze im Keller und im Hinterhof fand sie unzumutbar. Im Hinterhof flogen Zigarettenkippen aus den oberen Stockwerken in den Wagen, eine Überdachung für schlechte Witterung existierte nicht. Und im Keller hausten Ratten und sonstiges Ungeziefer, das der Gesundheit eines Kleinkindes nicht zuträglich ist. Also das Treppenhaus. Damit der Wagen nicht geklaut wurde, sicherte sie ihn durch ein Schloss am Treppengeländer. Ihr Vermieter klagte auf Entfernung wegen nicht vertragsgemäßen Gebrauches.
Wie hätten Sie entschieden?
Das Berliner Landgericht gab der Mieterin Recht. Sie hat Anspruch auf das Abstellen des Kinderwagens im Treppenhaus, wenn der Transport in die Wohnung unzumutbar ist und kein alternativer Stellplatz zur Verfügung steht. Anketten darf sie ihn allerdings nicht, wenn dadurch das Treppengeländer teilweise nicht mehr nutzbar ist und sich auch ein Flügel der Hauseingangstür dadurch nicht mehr öffnen lässt.
Elke Koepping
LG Berlin vom 15.9.09 – 63 S 487/08 –
* Name von der Redaktion geändert
MieterMagazin 5/12
Illustration: Julia Gandras
02.04.2013