Die „Bundesarbeitstagung“, die im Wechsel mit den Mietertagen die Vorstände und Mitarbeiter der Mieterorganisationen im Deutschen Mieterbund (DMB) zusammenbringt, hatte bei ihrer diesjährigen Zusammenkunft in Fulda philosophische Unterstützung.
„Sie haben einen Philosophen eingeladen. Das ist ein Risiko!“ Die Vorwarnung war grundlos, denn das Wagnis wurde durch einen Vortrag belohnt, der mit konzentriertem Tiefgang und hoher Sachlichkeit ins Zentrum des politischen Geschehens in Deutschland vorstieß. Die philosophische Ausrichtung hatte offensichtlich nicht verhindert, dass Köpfe und Herzen einer Zuhörerschaft erreicht wurden, die sich in ihrem Berufsalltag eher mit praktischen Fragen der Vereinsführung und Mietrechtsanwendung befasst. Die Anwesenden quittierten die Rede mit minutenlangem Beifall. Julian Nida-Rümelin, der Referent, arbeitet als Philosphieprofessor in München, ist Autor des jüngst erschienenen Buches „Die Optimierungsfalle“ und engagiert sich als Mitglied im Bundesvorstand der SPD.
Nida-Rümelins „Philosophie einer humanen Ökonomie“ – so der Untertitel des Buches – enthält eine Kernaussage: „Ökonomien, die nicht eingebettet sind in einen kulturellen, sozialen und ethischen Regelkanon, müssen scheitern.“ Denn Marktwirtschaften könnten die Voraussetzungen für ihr Funktionieren nicht selbst schaffen. Mit aktuellen Beispielen zu Griechenland und Eurokrise, aber auch mit grundsätzlichen Argumenten skizzierte der Referent die Anforderungen, die eine humane Ökonomie wie jede andere Form des Umgangs zwischen Menschen erfüllen muss. Sie müsse nach den Regeln der Wahrhaftigkeit, der Verlässlichkeit, der Besonnenheit und des wechselseitigen Respekts ablaufen. Ebenso überraschend wie überzeugend wirkte auf die Zuhörer, dass die Kritik am marktgläubigen Gegenentwurf des Neoliberalismus ohne die sonst übliche Entlarvung des dahinter stehenden Bereicherungsinteresses auskam. Entweder – so das Fazit – die Ökonomie hält sich an die ganz normalen Regeln der moralischen Praxis, oder sie versagt.
Für die verbandsinterne Diskussion in den Arbeitskreisen, die den Nachmittag und Folgetag bestimmten, hatte der politiktreibende Philosoph offenkundig Inputs geliefert, deren Nachwirkung man von der Markenleitbilddiskussion im Deutschen Mieterbund bis zu den aktuellen Mietrechtsfragen und der neuerlichen Wohnungsnotdiskussion spüren konnte.
ah
MieterMagazin 7+8/12
„Wirtschaften erfordert Respekt, Wahrhaftigkeit und Verlässlichkeit“: Julian Nida-Rümelin vor der DMB-Bundesarbeitstagung
Foto: Bernd Bohlen
20.03.2013