Über 15 Jahre lang war das „Bunte Haus“ in Steglitz ein Vorzeigebeispiel für gemeinschaftliches Wohnen im Alter. Besuchergruppen aus dem In- und Ausland pilgerten durch das Haus, auf zahlreichen Tagungen wurde das Modellprojekt vorgestellt. Nun steht das Bunte Haus vor dem Aus.
„Der Anfang vom Ende kam mit der neuen Hausverwaltung“, berichten Heike Grünewald und Christa Pirwaß von der Gruppe „Gemeinschaftlich Wohnen und Altwerden in Steglitz“ (GWA), einem Frauenwohnprojekt innerhalb des Hauses.
Das Gebäude wurde 1996 im Rahmen des Sozialen Wohnungsbaus errichtet. Eigentümer ist ein Immobilienfonds. Die Hausverwaltung, so berichten die beiden Bewohnerinnen, sei völlig unkooperativ: „Die haben nie verstanden, um was es geht – unser Belegungsrecht war für die nur ein lästiger Mehraufwand.“ Das Recht der Gruppe, über neu einziehende Bewohnerinnen mitzubestimmen, war vertraglich vereinbart worden – im Gegenzug allerdings auch die Verpflichtung, für leer stehende Wohnungen aufzukommen. Weil die Verwaltung dafür feste Ansprechpartner haben wollte, wurde im Jahre 2005 eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) gegründet.
Welche Fallstricke in dieser Vertragskonstruktion steckten, wurde erst klar, als es immer schwieriger wurde, die Wohnungen zu belegen. Aufgrund des Förderabbaus stiegen die Mieten auf 10 bis 12 Euro netto pro Quadratmeter. „Es gab genügend Interessentinnen, aber die Frauen, die wir gern gehabt hätten, konnten sich keine Einzimmerwohnung für 600 Euro warm leisten – einige haben nur eine Rente von 1000 Euro“, erklärt Christa Pirwaß. Zudem habe die Hausverwaltung keinerlei Entgegenkommen gezeigt. Bewerberinnen seien ohne Begründung abgelehnt worden und eine Zwischenvermietung sei überraschend auch nicht mehr möglich gewesen.
Mittlerweile hat der Eigentümer die GbR wegen der offenen Mietzahlungen für die leer stehenden Wohnungen verklagt. Zwar wurde die GbR längst aufgelöst und das Belegungsrecht abgegeben, doch der Immobilienfonds beharrt auf den Forderungen. Aufgrund der finanziellen Belastung müssen nun immer mehr Mieterinnen ausziehen, auch Heike Grünewald und Christa Pirwaß. „Das ist sehr schade, weil ich mich hier sehr wohl fühle, und weil wir viel Idealismus und Herzblut in das Projekt gesteckt haben“, sagt Pirwaß. „Es ist an der Zeit, Strukturen zu schaffen für solche Wohnprojekte“, lautet Grünewalds Fazit: „Ich kann nur jedem raten, keine GbR und auch keinen Verein zu gründen.“
Vermieter ohne Geduld
„Die Idee war gut, aber die Umsetzung war schlecht“, sagt auch Theo Killewald von der „Netzwerkagentur GenerationenWohnen“, die im Auftrag des Senats Wohnprojekte berät. Als entscheidenden Grund für das Scheitern sieht er die Miethöhe. Die Erfahrungen aus anderen Projekten zeigen aber auch, dass bei den Vermietern oft das Verständnis für eine solche Wohnform fehlt. Aus diesem Grund plädiert er für eine „Soziale Hausverwaltung“, die als Mittler zwischen den Bewohnern und den Eigentümern fungiert. Es brauchte eine Art „Kümmerer“, der auch bei Konflikten moderieren kann, wie sie in jeder Hausgemeinschaft vorkommen, meint Killewald.
Auch beim generationenübergreifenden Wohnprojekt am Ortolanweg in Buckow gibt es Probleme mit der Belegung. Der Verein „Offensives Altern“, der eigentlich für die Belegung freiwerdender Wohnungen zuständig ist, würde sich mehr Entgegenkommen wünschen von der „Berliner Bau- und Wohnungsgenossenschaft von 1892“. „Man müsste uns mehr Zeit geben, um neue Bewohnerinnen zu finden“, so Maike Lino vom Verein. Mittlerweile seien vier von insgesamt 24 Wohnungen von der Genossenschaft „fremdbesetzt“ worden. Diese Mieter, so Lino, hätten keinerlei Interesse an einem gemeinschaftlichen Zusammenleben.
Birgit Leiß
MieterMagazin 7+8/12
Das „Bunte Haus“ scheiterte an unpassenden Rechtsformen und an fehlenden Strukturen
Foto: Sabine Münch
Netzwerkagentur GenerationenWohnen
Pufendorfstraße 11
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Wer will gemeinschaftlich wohnen?
Zumindest bei der im Jahre 2008 eingerichteten Beratungsstelle für generationenübergreifendes Wohnen sind eigentumsorientierte Interessenten in der Minderheit. 75 bis 80 Prozent der Ratsuchenden wollen zur Miete wohnen, was auch den Träger der Beratungsstelle, Stattbau, überraschte. Allerdings liegt das vermutlich auch daran, dass Baugruppen lieber gleich einen Projektleiter beauftragen. 70 bis 80 Prozent derjenigen, die zur Beratung kommen, sind alleinstehende Frauen der Generation der Über-50-Jährigen, viele kommen aus sozialen Berufen. Sie wünschen sich im Alter eine soziale Nachbarschaft, die auch bei Krankheit oder Pflegebedürftigkeit trägt.
bl
30.03.2013