Der Gasmarkt ist nur schwer zu durchschauen. 1998 wurde er zwar ebenso liberalisiert wie der Strommarkt, doch der Wettbewerb kommt erst jetzt langsam in Schwung.
Wo ein Wille ist, ist nicht immer auch ein Weg: Wer seinen Gasversorger wechseln wollte, suchte lange vergeblich nach Alternativen. Denn neue Anbieter wurden von den alteingesessenen Netzbetreibern wirkungsvoll ausgebremst und mussten oftmals kapitulieren vor einem dichten Geflecht aus langfristigen Lieferverträgen, ausgebuchten Netzkapazitäten und abgeschotteten Marktgebieten.
Erst sieben Jahre nach der Liberalisierung des Energiemarktes wurde mit der Bundesnetzagentur im Jahr 2005 überhaupt eine Regulierungsbehörde geschaffen. Ihre Aufgabe: überprüfen, ob die Gaswirtschaft neuen Anbietern einen Zugang zu den Gasnetzen ermöglicht. Doch die Hürden für neue Wettbewerber blieben bestehen. „Die Ferngasnetzbetreiber haben Deutschland willkürlich in 19 Marktgebiete aufgeteilt“, erklärt Kerstin Rippel, Sprecherin des Bundesverbands Neuer Energieanbieter (bne). Innerhalb der Marktgebiete dürfen sich Gaslieferanten frei bewegen. Neue Versorger stießen durch die Vielzahl der Marktgebiete jedoch permanent an Netzgrenzen und konnten ihr Gas deshalb nur in einem sehr begrenzten Radius und schon gar nicht bundesweit anbieten.
Seit Oktober 2009 gibt es aufgrund von Kooperationen zwischen den Fernleitungsnetzbetreibern zwar nur noch sechs Marktgebiete. Doch eine spürbare Belebung des Gasmarktes und mehr bundesweite Angebote verspricht erst die im September 2010 novellierte Gasnetzzugangsverordnung (GasNZV): Mit ihr wurde zum 1. April 2011 die Zahl der Marktgebiete auf drei reduziert, ab dem 1. August 2013 dürfen es sogar nur noch zwei sein (§ 21 GasNZV). Zudem müssen künftig die Kapazitäten der deutschen Gasnetze diskriminierungsfrei versteigert werden. Damit kippt eine weitere wesentliche Hürde für neue Wettbewerber, die teilweise keine Kapazitäten im Netz erwerben konnten, weil diese bereits langfristig von angestammten Versorgern ausgebucht waren. „Die novellierte Verordnung ist ein großer Schritt nach vorne“, so Rippel. Doch es fehle eine Übergangsregelung. „Dadurch gelten die neuen Regelungen erst für neue Verträge und die alten, oft auf 20 Jahre geschlossenen Kapazitätsverträge behalten ihre Geltung.“ Neuen Gaslieferanten bleibe der Zugang zu Kapazitäten also de facto weiterhin verwehrt.
Hinzu kommt, dass auf der kleinteiligeren Ebene der Verteilnetze laut Monitoringbericht der Bundesnetzagentur von 2010 heute noch immer 633 meist kommunale Gasnetzbetreiber agieren. Sie sorgen dafür, dass das Gas bis zu den Kunden kommt.
Neuen Lieferanten bleibt weiter das Nachsehen
Neue Marktteilnehmer müssen mit jedem einzelnen von ihnen einen Lieferantenrahmenvertrag abschließen – ein enormer Aufwand. „Und nach wie vor sind von den 633 Verteilnetzbetreibern lediglich 167 rechtlich entflochten – trennen also den Betrieb des Gasnetzes korrekt vom Gasvertrieb“, so Rippel. Es sei zu befürchten, dass die übrigen den eigenen Vertrieb gegenüber Fremdanbietern bevorzugten.
Und doch wird die Liberalisierung des Gasmarktes greifbarer. So müssen sich die Netzbetreiber beim Wechsel des Gaslieferanten seit August 2008 an standardisierte Geschäftsprozesse beim Lieferantenwechsel halten. Inzwischen agieren 251 Anbieter auf dem deutschen Gasmarkt. „17 von ihnen bieten bundesweit Gas an“, sagt Uwe Paschert von der „ene´t Energieberatung und -dienstleistung GmbH“. Darunter sind auch solche, die anteilig Biogas oder einen Klimatarif im Angebot haben. Nach Angaben von Verivox können Verbraucher mittlerweile im Schnitt zwischen 31 Gasversorgern pro Postleitzahlengebiet wählen – in Berlin sogar zwischen mehr als 40. Im Jahr 2009 gab es dagegen nur durchschnittlich acht pro Postleitzahlengebiet.
Die jährliche Ersparnis gegenüber etablierten Versorgern kann sich auf mehrere Hundert Euro belaufen. Dass diese preislich da nicht mithalten können oder wollen, liegt nach einem Gutachten des Energiewirtschaftlers Gunnar Harms auch daran, dass sie den für sie attraktiveren Großkunden das Gas zu besonders günstigen, Haushaltskunden dagegen zum Ausgleich zu höheren Preisen verkaufen. Das müssen Verbraucher nun nicht mehr hinnehmen: Sie können den Anbieter wechseln.
Kristina Simons
MieterMagazin 4/11
Auch Jahre nach der Gasmarktliberalisierung werden neue Anbieter abgeblockt
Foto: ABC Enterprises
Gasanbietervergleich zum Beispiel unter:
www.verivox.de,
www.tarifvergleich.de,
www.check24.de
Hinweise zum Wechsel des Gasanbieters von der Bundesnetzagentur unter:
www.bundesnetzagentur.de
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Sonderkündigungsrecht bei Preiserhöhung
Nach einer Preiserhöhung haben Verbraucher, auch bei anderslautenden Geschäftsbedingungen, ein Sonderkündigungsrecht. Das hat der Bundesgerichtshof im Februar 2011 bestätigt (BGH vom 9. Februar 2011 – VIII ZR 295/09). Wer den Gasanbieter wechselt, sollte von Verträgen mit einer Laufzeit von über einem Jahr ebenso Abstand nehmen wie von Vorauszahlungen und vorher festgelegten Bezugsmengen.
ks
30.01.2022