Der Senat hat sieben neue Sanierungsgebiete festsetzt. Doch die klassische Stadterneuerung steht dabei im Hintergrund. Vor allem sollen Geschäftsstraßen aufgemöbelt und die städtische Infrastruktur verbessert werden. Mieter haben von der Sanierung nicht viel zu erwarten.
Drei der neuen Sanierungsgebiete liegen im Bezirk Mitte: Müllerstraße im Wedding, Turmstraße in Moabit und Nördliche Luisenstadt im Ortsteil Mitte. Außerdem sind die Stadtviertel Südliche Friedrichstadt in Kreuzberg, Karl-Marx-Straße/Sonnenallee in Neukölln, Frankfurter Allee Nord in Lichtenberg und Wilhelmstadt in Spandau zu Sanierungsgebieten erklärt worden.
Die Sanierung ist nur Begleitschutz
Die Ausweisung als Sanierungsgebiet ist in allen sieben Stadtteilen aber nur eine Ergänzung. Schwerpunkte sind nicht die städtebauliche Sanierung, sondern Maßnahmen aus jeweils anderen Programmen der Städtebauförderung. In den Gebieten Müllerstraße, Turmstraße, Wilhelmstadt und Karl-Marx-Straße/Sonnenallee heißt das Leitprogramm Aktive Zentren. Damit sollen Stadtteilzentren und Geschäftsstraßen gestärkt werden. Bis auf die Wilhelmstadt sind diese bezirklichen Einkaufsstraßen schon seit 2008 Aktive-Zentren-Fördergebiete. Sie wurden nun zusätzlich unter Sanierungsrecht gestellt und im Falle der Karl-Marx-Straße räumlich ausgeweitet.
In der Nördlichen Luisenstadt und der Südlichen Friedrichstadt ist der Städtebauliche Denkmalschutz das Leitprogramm. Die rund um die Köpenicker Straße in Mitte gelegene Luisenstadt wird bereits aus diesem Programm bedient, Teile davon wurden nun auch zum Sanierungsgebiet erklärt. Die Südliche Friedrichstadt rund um den Mehringplatz kommt neu hinzu.
Das Gebiet Frankfurter Allee Nord ist hingegen großflächig als Stadtumbau-Ost-Areal festgesetzt worden, lediglich drei darin liegende „Inseln“ wurden unter Sanierungsrecht gestellt: das Gelände der ehemaligen Stasi-Zentrale an der Normannenstraße, ein ehemaliges Schulgrundstück sowie ein Bereich an der Siegfried- und Gudrunstraße.
In den Fördergebieten leben rund 74000 Menschen. In der Südlichen Friedrichstadt sowie in Teilen der Gebiete Müllerstraße, Wilhelmstadt und Karl-Marx-Straße/Sonnenallee wird die Sanierung im vereinfachten Verfahren durchgeführt. Das heißt, dass am Ende der Sanierung von den Eigentümern kein Ausgleichsbetrag erhoben wird.
Die Sanierungszeit soll für die Frankfurter Allee und die Südliche Friedrichstadt zehn Jahre dauern, für die übrigen Quartiere 15 Jahre. In diesem Zeitraum sollen 216 Millionen Euro investiert werden. Der größte Teil fließt in die Sanierung von Schulen und Kitas. Rund 81 Millionen Euro werden für die Herrichtung von Grünflächen, Spielplätzen und Straßen ausgegeben. In den vier Aktive-Zentren-Gebieten sollen für zusammen 10 Millionen Euro Geschäftsstraßenmanagements eingerichtet werden.
Ein Sanierungsziel, das bei der bisherigen Stadterneuerung eine zentrale Rolle spielte, fehlt: die Erneuerung des Wohnungsbestandes. „Die Situation ist nicht mehr ganz so wie in den bisherigen Sanierungsgebieten“, begründet Mathias Gille, Sprecher der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, die Schwerpunktverschiebung. Durch Verbesserungen in der Wohnumfeld-Ausstattung werde eine höhere Wohnqualität erreicht. „Für die Modernisierung und Instandsetzung der Wohngebäude sind die Mittel nicht vorgesehen – das ist Aufgabe der privaten Eigentümer“, sagt Gille.
Die Finanzierung der Stadterneuerung steht zudem auf wackligen Beinen. Nachdem die Bundesregierung die Städtebauförderung für das Jahr 2011 von 605 auf 455 Millionen Euro gekürzt hatte, sind im Haushaltsentwurf für 2012 sogar nur noch 266 Millionen Euro vorgesehen. Dies wäre „der Todesstoß für eine soziale Stadtentwicklung“, so Berlins Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer.
Jens Sethmann
MieterMagazin 5/11
In Gebieten wie der Moabiter Turmstraße soll in erster Linie das Geschäftsstraßen-Image aufpoliert werden
Foto: Sabine Münch
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… da waren es nur noch drei
Neue Sanierungsgebiete hier – Entlassung aus der Sanierung dort: Im April sind die vier Sanierungsgebiete Bötzowstraße und Winsstraße in Prenzlauer Berg, Wollankstraße in Pankow und Warschauer Straße in Friedrichshain nach 15 beziehungsweise 16 Jahren aufgehoben worden. Von den 22 Sanierungsgebieten, die zwischen 1993 und 1995 im ersten Gesamt-Berliner Stadterneuerungsprogramm aufgestellt worden sind, bestehen nur noch drei. Die Aufhebung der Gebiete Helmholtzplatz und Teutoburger Platz in Prenzlauer Berg sowie Niederschöneweide folgt 2012.
js
02.04.2013