Berlin will im Jahr 2020 zum dritten Mal eine Internationale Bauausstellung ausrichten. Aber noch ist weder klar, wo sie stattfinden soll noch welches Ziel sie hat. Das Vorkonzept steht unter dem vielsagenden Titel „Hauptstadt Raumstadt Sofortstadt“.
Als im Herbst 2008 der Flughafen Tempelhof geschlossen wurde, machte Senatsbaudirektorin Regula Lüscher den Vorschlag, das Planen und Bauen auf dem ehemaligen Flugfeld zum Thema einer Internationalen Bauausstellung (IBA) zu machen. Seitdem wird an Vorkonzepten gefeilt und darüber diskutiert, welches Ziel die IBA überhaupt haben soll. Angepeilt ist als Ausstellungsjahr 2020, die Umsetzungsphase könnte nach Angaben der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung schon 2012 beginnen. Ende Mai soll ein IBA-Konzept stehen, auf dessen Grundlage abschließend entschieden wird, ob Berlin eine Bauausstellung durchführen will.
Im September 2010 hat die Senatsverwaltung ein siebenköpfiges „Prae-IBA-Team“ eingesetzt, um ein Konzept für die Bauausstellung zu erarbeiten. Das Team besteht aus drei Frauen und vier Männern: drei Architekten, zwei Sozialwissenschaftler, ein Kulturunternehmer und ein Stadtplaner. Die Gruppe kam zu der Überzeugung, dass die IBA nicht auf das Tempelhofer Feld beschränkt werden sollte. „Wir haben das Gefühl, dass uns das zu sehr einschränkt“, erklärt Martin Heller vom Prae-IBA-Team.
Die Experten haben drei „Spannungsfelder“ definiert, die als Überschrift über dem Vorkonzept stehen: „Hauptstadt Raumstadt Sofortstadt“. Es sollen „Wege und Brücken zwischen Kiez und Hauptstadt“ geschaffen werden. In der „Raumstadt“ sollen die vielen kleinen und großen „Leerstellen“ in der Stadt als „Kapital für eine intelligente städtebauliche Strategie“ genutzt werden. Unter dem Titel „Sofortstadt“ will die IBA die Bürger zum „Stadtmachen“ einladen, etwa durch kurzfristige Zwischennutzungen.
Befreiung durch Ausblendung
„Wir haben uns davon verabschiedet, dass die IBA ein Mittel zur Problemlösung ist“, sagt Martin Heller. „Nicht die Probleme sollen im Vordergrund stehen, sondern die Potenziale.“ Als solche Potenziale hat man etwa die Flachdächer ausgemacht, auf denen Wohnungen oder Ateliers gebaut werden könnten. An den Fluss- und Kanalufern könnten „neue Architekturen“ entstehen, an den großen Straßen bestehe Gestaltungsbedarf und schließlich gebe es mehrere „große Elefanten“ wie das Heizkraftwerk Mitte oder den Steglitzer Kreisel, für die neue Nutzungen zu finden sind.
Für Architekten mag es befreiend sein, Problemstellungen auszublenden. Wenn sich aber die Stadt trotz knapper Kassen einen solchen Kraftakt wie eine Internationale Bauausstellung leisten will, dann darf die Allgemeinheit schon einen handfesten Nutzen erwarten. Probleme, die sich mit baulichen Mitteln lösen ließen, gibt es schließlich genug. So muss beispielsweise der Wohnungsbestand energetisch modernisiert sowie alters- und behindertengerecht umgebaut werden, ohne dass die Wohnkosten explodieren. „Für so etwas Vages wie ‚Hauptstadt Raumstadt Sofortstadt‘ würde ich keinen Cent ausgeben“, meint Franziska Eichstädt-Bohlig, Stadtentwicklungspolitikerin der Bündnisgrünen und selbst Architektin. „Berlin kann sich eine L‘art-pour-l‘art-Veranstaltung nicht leisten.“
Jens Sethmann
MieterMagazin 5/11
Wenn das mal keine Bruchlandung wird …
Foto: Sabine Münch
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Große Fußstapfen
Eine IBA 2020 wäre die dritte Internationale Bauausstellung in Berlin. Die „Interbau“ von 1957 setzte im Hansaviertel neue, moderne Maßstäbe für die Architektur und den Städtebau. Bei der IBA 1984/87 stand die Wiederentdeckung der Innenstadt als Wohnort im Mittelpunkt: Einerseits wurden auf den großen Kriegslücken in der südlichen Friedrichstadt und im Tiergartenviertel nach dem Leitbild der „kritischen Rekonstruktion“ neue Wohnanlagen gebaut, andererseits wurde in Kreuzberg die „behutsame Stadterneuerung“ durchgeführt, bei der die Altbauten so saniert wurden, dass die Bewohner nicht verdrängt wurden. Seither gab es vier weitere Internationale Bauausstellungen: 1989 bis 1999 die IBA Emscherpark im Ruhrgebiet, 2000 bis 2010 die IBA See zur Renaturierung der Lausitzer Tagebaulandschaften, und 2002 bis 2010 die IBA Stadtumbau in Sachsen-Anhalt. Seit 2007 läuft in Hamburg eine IBA mit dem Titel „Sprung über die Elbe“. Eine Internationale Bauausstellung wird von keinem Gremium vergeben. Jede Stadt kann jederzeit eine IBA ausrufen.
js
31.12.2022