Nach einer Umfrage, die das Berliner Arbeitslosenzentrum evangelischer Kirchenkreise (BALZ) unter rund 400 Berlinern vor den Jobcentern durchgeführt hat, liegen die Warmmieten in fast jedem zweiten Berliner Hartz-IV-Haushalt über den Richtwerten der Ausführungsvorschriften (AV) Wohnen des Landes. Die Folge: Die Jobcenter übernehmen immer häufiger nicht mehr die vollständigen Wohnkosten.
Die Richtwerte der AV Wohnen wurden seit fast sieben Jahren nicht an die Entwicklung der Mietpreise angepasst. Lediglich bei den Einpersonenhaushalten hat der Senat Ende 2008 die Richtwerte um fünf Prozent angehoben.
Frank Steger, Geschäftsführer des Berliner Arbeitslosenzentrums, plädiert für eine rechtliche Neuregelung der Wohnkostenübernahme in Berlin, da die Gerichte sich schon lange nicht mehr an den Ausführungsvorschriften Wohnen orientieren: „Der neue Senat muss das Chaos bei der Wohnkostenübernahme beenden und endlich Rechtssicherheit für die Betroffenen herstellen.“
Die Richtwerte für angemessene Wohnkosten müssen dabei so angepasst werden, dass Menschen, die Grundsicherungsleistungen erhalten, nicht hungern müssen, um ihre Miete bezahlen zu können.
In der Debatte um die Wohnkostenübernahme stehen zurzeit eher die Zwangsumzüge im Mittelpunkt, und dabei wird übersehen, dass die Zahl der Hartz-IV-Haushalte in Berlin, die einen Teil der Miete selbst übernehmen, um in ihrer Wohnung bleiben zu können, dramatisch ansteigt. Diese müssen dann an anderen lebensnotwendigen Ausgaben sparen.
Das BALZ rechnete hoch, dass in diesem Jahr bei rund 30.000 Bedarfsgemeinschaften die Wohnkosten nicht mehr in voller Höhe übernommen werden – 2010 waren es noch 10.000 weniger. In der Mehrzahl der Fälle haben die Betroffenen dadurch weniger Mittel zum Leben, als das staatlich garantierte Existenzminimum vorsieht.
Der Berliner Mieterverein forderte bereits im August 2011 in einem Offenen Brief an den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit sowie an die Fraktionsvorsitzenden von SPD und Linken und die zuständigen Senatorinnen die Änderung der Richtlinien und die Anhebung der Mietkostenübernahme von Arbeitslosen und Rentnern. Eine Ermächtigung zur Neuregelung der Kosten der Unterkunft liegt bundesrechtlich bereits seit 1. April 2011 vor.
Eine der dringendsten Aufgaben der neuen Regierungskoalition in Berlin ist deshalb die Verabschiedung eines entsprechenden Landesgesetzes, eine Neuregelung der Wohnkostenübernahme – so der Berliner Mieterverein – habe jetzt lange genug auf sich warten lassen.
Rainer Bratfisch
MieterMagazin 11/11
Um nicht umziehen zu müssen, zahlen immer mehr Arbeitslose und Grundsicherungsempfänger einen Teil der Miete aus den Mitteln für die Lebenshaltung
Foto: Sabine Münch
04.01.2017