Hauseigentümer müssen bis Ende 2011 die oberste Geschossdecke beheizter Räume dämmen lassen, wenn diese begehbar und bisher ungedämmt ist. Das schreibt die Energieeinsparverordnung (EnEV) 2009 vor. Die Frage, ob die Holzbalkendecken der meisten Altbauten schon als gedämmt gelten können und deshalb nicht nachgerüstet werden müssen, wird allerdings ganz unterschiedlich ausgelegt.
Über ein nicht wärmeisoliertes Dach geht viel Heizenergie verloren. Dabei bringt die Dämmung der obersten Geschossdecke viel und kostet relativ wenig. „Bei einem mittelgroßen Mehrfamilienhaus aus den 50er-Jahren können durch die Dämmung einer 200 Quadratmeter großen obersten Geschossdecke pro Jahr rund 10.000 Kilowattstunden Heizenergie eingespart werden“, sagt Henning Discher, Projektleiter der Deutschen Energie-Agentur (Dena). „Wird das Haus mit Öl oder Gas beheizt, sind das bei einem angenommenen Energiepreis von 0,07 Euro pro Kilowattstunde rund 700 Euro weniger Heizkosten im Jahr.“ Die tatsächliche Investition sei von verschiedenen Faktoren wie der regionalen Preisstruktur, den tatsächlichen Gegebenheiten vor Ort und dem Auftragsvolumen abhängig. Die Vollkosten einer Dämmung der obersten Geschossdecke liegen laut Discher zwischen 54 und 70 Euro pro Quadratmeter bei einer begehbaren Fläche. Vermieter können dafür je nach Dämmgrad Fördermittel der KfW-Bankengruppe beantragen, außerdem elf Prozent der verbleibenden Investitionskosten auf ihre Mieter umlegen.
Die oberste Geschossdecke grenzt die oberste Wohnung vom Dach beziehungsweise dem Dachboden ab. „Begehbar“ ist sie gemäß EnEV dann, wenn im Dachraum ein durchschnittlich großer Mensch aufrecht gehen kann. Der Dämmwert der Decke muss ab 2012 unter 0,24 W/m2K (Watt pro Quadratmeter mal Kelvin) liegen. Geregelt ist das in § 10 Absatz 3 und 4 EnEV 2009.
Fachkommission: Gedämmt ist gedämmt
Nach Auslegung der Fachkommission Bautechnik der Bauministerkonferenz beim Deutschen Institut für Bautechnik (DIBt) entfällt die Nachrüstpflicht, wenn das Dach bereits früher gedämmt wurde – selbst wenn der vorgeschriebene Dämmwert dadurch nicht erreicht wird. Es sei in dem Fall nicht wirtschaftlich, die Dämmung weiter zu verbessern. Die seit 1969 errichteten massiven Dachkonstruktionen sowie Holzbalkendecken aller Baualtersklassen würden zudem den Mindestwärmeschutz nach DIN 4108-2 erfüllen.
Die meisten Berliner Altbauten haben eine solche Holzbalkendecke – und wären demnach also von der nachträglichen Dämmpflicht ausgenommen. Aus Sicht des Architekten und Gebäudeenergieberaters Roland Borgwardt ist diese Auslegung der EnEV jedoch rechtlich wie fachlich in keiner Weise zu rechtfertigen: „Holz könnte man eventuell gerade noch als wärmedämmend betrachten. Sandschüttung als Hauptbestandteil von alten Holzbalkendecken kann aber sicherlich nicht als Dämmung bezeichnet werden.“ Auch den Mindestwärmeschutz nach DIN 4108-2 erfüllen die Holzbalkendecken seiner Einschätzung nach nicht.
Der Architekt und Energieberater Hans-Stefan Müller hält den Mindestwärmeschutz bei Holzbalkendecken zwar in der Regel für erfüllt. „Allerdings sagt dieser nichts über eine Energieeinsparung aus, sondern nur darüber, dass es nicht zu Feuchte- beziehungsweise Schimmelschäden an der Decke kommt.“ Die Auslegung der Bautechnikkommission führe die Regelung der EnEV ad absurdum und sei fragwürdig. „Zudem wird der Öffentlichkeit suggeriert, dass eine wirtschaftliche Dämmung der meisten obersten Geschossdecken nicht möglich ist.“ Die Auslegung der Fachkommission werde keinen Bestand haben, glaubt Borgwardt, zumal die Dämmung von ungedämmten Holzbalkendecken in der Regel zu den wirtschaftlichsten Energiesparmaßnahmen überhaupt zähle, weil sie sich meist innerhalb von sechs bis acht Jahren amortisiere. Außerdem: „Im Gegensatz zur Dämmung von Fassaden und Kellerdecken ist sie in den meisten Fällen auch problemlos umsetzbar.“
Kristina Simons
MieterMagazin 11/11
Die Dämmung von Holzbalkendecken ist einfach und wirtschaftlich – eine Verpflichtung dazu aber strittig
Foto: epr
Zum Thema
Bringpflicht der Vermieter
Bei der nachträglichen Dämmung der obersten Geschossdecke haben die Bezirksschornsteinfeger keine Kontroll-, Hinweis- und Meldepflichten. „Es handelt sich hier um eine Bringpflicht der Hauseigentümer“, sagt Mathias Gille, Sprecher der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Da die Nachrüstung in deren Eigenverantwortung liege, drohe ihnen auch kein Bußgeld, falls sie die Frist verstreichen ließen. „Im Rahmen der Ausgestaltung der EnEV 2012 wird sich Berlin jedoch darum bemühen, die Regelung in punkto Vollzugskontrolle zu verbessern“, so Gille.
Ob die Bewohner bei unrechtmäßig unterlassener Dämmung die Miete kürzen können, ist rechtlich noch unklar. „Ausnahmsweise denkbar wäre, einen Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot geltend zu machen“, sagt Mietervereins-Geschäftsführer Reiner Wild. „Denn ohne Dämmung der obersten Geschossdecke werden unnötig hohe Heizkosten verursacht.“
ks
25.05.2020