An der Schöneberger Straße in Kreuzberg wird die verweigerte Anschlussförderung im Sozialen Wohnungsbau offenbar erstmals dazu genutzt, die Mieter durch drastische Mietsteigerungen zu vertreiben. Den Mietern steht in diesem Fall kein Härteausgleich zu, allenfalls Umzugsbeihilfen will der Senat ausnahmsweise gewähren.
Bereits im November 2009 erhielten mehr als 30 Mietparteien eines Teils der insgesamt 150 Wohnungen umfassenden Siedlung drastische Mieterhöhungen. Wegen formaler Fehler konnten diese zwar zurückgewiesen werden, doch Mitte Februar kam das nächste Mieterhöhungsverlangen: Die Miete soll von 5,33 Euro auf 7,04 bis 7,30 Euro pro Quadratmeter steigen. Einen solchen Mietsprung können die Sozialmieter nicht verkraften – ganz abgesehen davon, dass der Preis in keinem Verhältnis zum Zustand der Wohnungen steht. Es gibt dort seit vielen Jahren einen massiven Schimmelbefall. Der Berliner Mieterverein (BMV) vermutet, dass über diese Mieterhöhung die Gebäude leergezogen werden sollen, um die überfällige Sanierung ohne „störende“ Mieter durchführen zu können.
Die Mieterhöhung gilt bereits ab dem 1. März. Die Mieter, die das nicht tragen können, müssen bis zum 3. März kündigen und dann bis zum 30. April die Wohnung räumen.
Nach dem Ausstieg aus der Anschlussförderung sind im Sozialen Wohnungsbau solche enormen Mieterhöhungen kurzfristig möglich. Weil hier das Ende der Förderung schon länger als drei Jahre zurückliegt, gelten Härtefallregelungen nicht mehr. „Wir brauchen einen Aufschub, damit die Vertreibung verhindert werden kann“, erklärt Mieter Michael J. Der Senat hat den Mietern bisher nur ausnahmsweise Umzugsbeihilfen zugesagt, Mietausgleichszahlungen aber verwehrt. „Der Senat ist jetzt in der Pflicht“, sagt BMV-Geschäftsführer Reiner Wild. Zumindest müsse den Mietern ermöglicht werden, sich unter zumutbaren Umständen eine neue Wohnung zu suchen.
Vermieter dürfen nach dem Ende der Förderung sogar die sogenannte Kostenmiete verlangen. Für die 1989 errichtete Wohnanlage liegt diese bei 13,02 Euro pro Quadratmeter kalt. Da klar ist, dass Mieter bei solchen Mieten das Weite suchen, hat der Senat darauf vertraut, dass Vermieter die Mieten nur auf eine marktgängige Höhe anheben.
Jetzt aber führt der Eigentümer der Schöneberger Straße auf diesem möglichen und legalen Weg die Vertreibung seiner Sozialmieter herbei. Das ist insofern eine Erfolg versprechende Strategie, als die Belegungsbindung aufgehoben wurde und deshalb künftig auch zahlungskräftige Neumieter einziehen dürfen. Bei der zentralen Lage des Gebäudeensembles könnte man solche Mieter nach einer Sanierung wohl auch finden.
Michael J. aus der Schöneberger Straße zieht ein bitteres Fazit: „Es gibt nichts Unsozialeres als den Sozialen Wohnungsbau in Berlin.“
Franz Schulz, Bürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg, befürchtet, dass das Beispiel weitere Kreise ziehen könnte: „Den ganzen IBA-Neubauten könnte ein ähnliches Schicksal drohen, das sind in Kreuzberg riesige Kontingente.“
Jens Sethmann
MieterMagazin 3/10
Sozialmieten über 7 Euro – da ist der Exodus der Mieter programmiert
Foto: Sabine Münch
28.03.2013