Dass die Zeiten finanziell schwieriger werden, spiegelt sich nicht zuletzt im Konsumverhalten der Deutschen wider. Ein Gradmesser, an dem sich langfristige Entwicklungen ablesen lassen, ist der Kauf von Möbeln. Für solch grundlegende Käufe geben viele Verbraucher immer weniger Geld aus.
„Im Jahr 2000 gaben die Deutschen durchschnittlich 420 Euro pro Person im Jahr aus, 2007 waren es noch 372 und im vergangenen Jahr nur noch 362 Euro“, erläutert Ursula Geismann vom Verband der Deutschen Möbelindustrie. Selbst wenn der Kauf kleinerer Wohnaccessoires berücksichtigt wird, erhöht sich die Summe auf gerade mal rund 500 Euro. Laut Statistischem Bundesamt wurden im Jahr 2009 Möbel im Wert von 15,5 Milliarden Euro hergestellt. Gegenüber 2008 ist das ein Rückgang von 10,9 Prozent. Ist das ein der Wirtschaftskrise geschuldeter zeitweiliger Einbruch oder ein stabiler Abwärtstrend?
Die Billigen boomen
Die Deutschen, so Ursula Geismann, sind nach wie vor kauffreudig, allerdings anders: „Während die Verbraucher sich früher dreimal im Leben neu einrichteten, investieren sie heute im Schnitt alle fünf Jahre Geld in ihr Mobiliar.“ Die Ausgaben sinken aber dennoch. Weil die Ware aufgrund der engeren Kauffrequenz auch nicht mehr so lange halten muss, spielt Qualität eine geringere Rolle und damit sinken auch die Ausgaben. Kücheneinrichtungen werden in Deutschland durchschnittlich alle 15 Jahre erneuert, „Kastenmöbel“ wie Schränke und Regale alle acht bis zwölf Jahre. Polster haben im Schnitt eine Lebensdauer von bis zu acht Jahren. Angebote für den kleinen Geldbeutel, oft aus Osteuropa und Asien, boomen. Beispiel Ikea: Der Umsatz des Konzerns ist zwischen 1999 und 2009 von 7,6 auf 22,5 Milliarden Euro gestiegen. Deutschland ist mit einem Anteil von 16 Prozent das Land mit dem größten Umsatz. Die zwei größten Lieferantenländer sind China und Polen (mit 20 beziehungsweise 18 Prozent). Wer von Jahr zu Jahr weniger Geld zur Verfügung hat, ist froh, auf Discountangebote zurückgreifen zu können.
„Es wird aber nicht ausschließlich Billigware stark nachgefragt. Auch edles Interieur findet seine Käufer. Auch das kleine Segment gehobener Ansprüche und größerer Geldbeutel erfreut sich des Wachstums.“ Doch nachhaltige Produkte aus natürlichen Materialien, die aufwendig verarbeitet wurden und sehr lange halten, kann sich nur eine Minderheit leisten.
Der Trend zur Polarisierung der Gesellschaft trifft somit auch die Möbelbranche: „Das mittlere Segment ist weitenteils weggebrochen“, so Ursula Geismann. Zwischen riesigen Verkaufsflächen der Möbeldiscounter am Stadtrand und kleinen, edlen Fachgeschäften in Innenstadtlagen wird wenig angeboten.
Lars Klaaßen
Wenn Vater Staat die Möbel zahlt …
Der Regelsatz für Arbeitslosengeld II setzt sich aus einer Reihe addierter Posten für alltägliche Ausgaben zusammen. Dazu zählen unter anderem Nahrungsmittel, Bekleidung, Telefon und auch Möbel. Für solche Ausgaben können keine gesonderten Leistungen beantragt werden. Bis zum 30. Juni 2009 belief sich der ALG-II-Regelsatz für eine Person auf 345 Euro monatlich. Darin waren 27,77 Euro – also gut 8 Prozent – für „Einrichtungsgegenstände, Möbel, Haushaltsgeräte sowie deren Instandhaltung“ vorgesehen. Zum 1. Juli 2009 wurde der Regelsatz auf 359 Euro erhöht. Damit beliefe sich dieser Posten nun auf rund 28,90 Euro – gut ein Euro mehr im Monat. Für Kinder und „Partner innerhalb einer Bedarfsgemeinschaft“ gibt es gesonderte Pauschalsätze für den Regelbedarf, in dem Ausgaben für Möbel ebenfalls bereits enthalten sind. In Ausnahmen zahlt der Staat im Falle einer Anschaffung einmalig über den Regelsatz hinaus: ALG-II-Empfänger haben Anrecht auf eine Pauschale, wenn sie zum Beispiel aufgrund einer Haftentlassung oder eines Wohnungsbrands ihre Wohnung mit Möbeln und Hausrat neu ausstatten müssen. Das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt hat entschieden, dass 1100 Euro für einen alleinstehenden ALG-II-Bezieher ausreichend sind, um die Möbel anschaffen zu können, die für eine geordnete Lebensführung notwendig sind (Az.: L 2 B 261/06 AS ER).
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MieterMagazin 4/10
Beim Möbelkauf sparen mittlerweile nicht nur die jungen Leute
Foto: Sabine Münch
02.06.2013