Ein Hartz-IV-Empfänger darf seinen Wohnort wechseln, auch wenn die Unterkunft am neuen Ort teurer ist und der Umzug nicht durch ein Jobangebot begründet wird – so das Urteil des Bundessozialgerichts in Kassel.
Dem Streit vor den obersten Sozialrichtern lag ein Berliner Fall zugrunde: Das Jobcenter in Steglitz-Zehlendorf hatte sich geweigert, einem Hartz-IV-Empfänger, der aus einem bayrischen Dorf nach Berlin gezogen war, eine Miete in Höhe von 300 Euro zu bezahlen. Diese Miete liegt in Berlin zwar innerhalb der Angemessenheitsgrenze, doch sie war 107 Euro teurer als die Miete in Bayern. Begründet wurde die Ablehnung mit einer Regelung aus dem Sozialgesetzbuch (§ 22, Abs. 1, Satz 2 SGB II), nach der die Behörde nach einem Umzug, der nicht erforderlich ist, die Wohnkosten auch nur in der vorherigen Höhe übernehmen muss.
Der betroffene Neu-Berliner klagte daraufhin und erhielt vor dem Bundessozialgericht Recht: Die vom Jobcenter ins Feld geführte Vorschrift gelte lediglich im kommunalen Vergleichsraum. Hier sei die Behörde berechtigt, dem Hartz-IV-Empfänger nur die geringeren Kosten der vormaligen Wohnung zu erstatten. Anders verhalte es sich, wenn er in eine andere Kommune wechsle. Dann müsse auch die aufgrund des dortigen Mietenniveaus höhere Belastung erstattet werden.
Wie viele möglicherweise von diesem Urteil betroffene Umzügler es in Berlin gibt, ist bei der Senatssozialverwaltung nicht erfasst. Eine Sprecherin: „Es ist Berliner Praxis, die Kosten nur zu übernehmen, wenn die Notwendigkeit eines Umzugs vom vorherigen Jobcenter anerkannt wurde.“ Da Hartz-IV-Empfänger fast ausnahmslos auf diese Kostenübernahme angewiesen sind, kann man davon ausgehen, dass Umzüge ohne eine entsprechende Begründung selten waren.
Die Entscheidung des Bundessozialgerichts wird nun zwar keine Umzugswelle auslösen, aber sie stellt immerhin klar, so der Rechtsexperte des Berliner Mietervereins, Frank Maciejewski, dass „das Recht auf Freizügigkeit in Artikel 11 des Grundgesetzes auch für Hartz-IV-Empfänger gilt“.
Udo Hildenstab
MieterMagazin 7+8/10
Umzug erlaubt: Das Bundessozialgericht bescheinigte Hartz-IV-Empfängern ein prinzipielles Recht auf freie Wahl des Wohnorts
Foto: Sabine Münch
Bundessozialgericht
vom 1. Juni 2010 – B 4 AS 60/09 R
01.06.2013