Das Berliner Fernwärmenetz, das der Energiekonzern Vattenfall betreibt, ist das größte in Westeuropa. Es deckt rund ein Viertel des Wärmebedarfs der Stadt. Wie gut Fernwärme unter ökologischen Gesichtspunkten abschneidet, hängt vor allem davon ab, wie sie erzeugt und welcher Brennstoff genutzt wird.
Fernwärme gilt als hocheffiziente und gegenüber Gas- oder Heizöl-Einzelheizungen deutlich umweltfreundlichere Art der Energieerzeugung. Das gilt zumindest dann, wenn sie – wie es überwiegend der Fall ist – in Anlagen mit Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) entsteht: Anders als in konventionellen Kraftwerken verpufft die ohnehin bei der Stromproduktion anfallende Abwärme dabei nicht einfach, sondern wird zur Versorgung von Gebäuden mit Heizwärme und Warmwasser oder auch als Prozesswärme in der Industrie genutzt. KWK-Anlagen nutzen bis zu 90 Prozent des eingesetzten Brennstoffs aus, herkömmliche Kraftwerke dagegen gerade mal 30 bis 40.
„Im Vergleich zur getrennten Erzeugung von Strom und Wärme mit gleichem Brennstoff benötigen moderne KWK-Anlagen auch etwa 30 Prozent weniger Primärenergie“, sagt Hans Hertle vom Institut für Energie- und Umweltforschung (ifeu) in Heidelberg. Somit reduzieren sich dank KWK auch die CO2-Emissionen deutlich: Ein Mehrfamilienhaus mit Baujahr vor 1975 und einem Heizenergieverbrauch von 150 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr verursacht bei einer Ölzentralheizung einen jährlichen CO2-Ausstoß von 48 Kilogramm, bei einer Gaszentralheizung 38. Wird Fernwärme genutzt, sind es dagegen im Schnitt nur 18 Kilogramm pro Quadratmeter.
Problematische Holzbeschaffung
Bei der CO2-Bilanz spielt allerdings auch der genutzte Brennstoff eine wichtige Rolle. Deshalb hängt die ökologische Bewertung von Fernwärme zusätzlich davon ab, wie wenig CO2 der genutzte Energieträger emittiert. Am schlechtesten schneidet dabei Kohle ab, dicht gefolgt von Öl. „Erdgas ist dagegen relativ CO2-arm“, sagt Lothar Rausch, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich „Energie & Klimaschutz“ des Öko-Instituts. Am ökologischsten sei Fernwärme jedoch, wenn Biomasse, also zum Beispiel Holz, zumindest anteilig mitverbrannt werde. Rausch: „Das Holz sollte allerdings aus nachhaltigem Anbau stammen.“ Wenn etwa zur Deckung des Brennstoffbedarfs wertvolle Tropenwälder abgeholzt werden, sieht die Ökobilanz längst nicht mehr so gut aus.
So geriet Vattenfall jüngst wegen seines zunehmenden Holzbedarfs in die Kritik: Der Konzern will neue Biomasse-Heizkraftwerke bauen und bestehende Kohlekraftwerke auf Biomasse umrüsten. Doch da das Holz aus den brandenburgischen Wäldern dafür nicht ausreicht, plant der Energiekonzern neben Plantagen mit schnell wachsenden Bäumen in Tagebaugebieten auch Holzeinkäufe auf dem internationalen Markt. „Der Internationale Holzhandel produziert weltweit ökologische und soziale Desaster“, warnt Michael Schäfer, energiepolitischer Sprecher der Berliner Grünen-Fraktion. Gleichzeitig gibt es in der EU keine einheitlichen Umwelt- und Sozialstandards für die Holzbeschaffung. Vattenfall betont allerdings, nur Biomasse verwenden zu wollen, „die ökologischen und nachhaltigen Standards entspricht.“
Für Hans Hertle vom ifeu-Institut ist klar: Vor allem für Großstädte und Ballungsräume ist Fernwärme heute die effizienteste Art, Energie zu erzeugen. Durch die dichte Bebauung und das dichte Leitungsnetz gehe beim Transport kaum Energie verloren. Und: Je größer KWK-Anlagen konzipiert sind, desto moderner und damit effizienter arbeiten sie.
Eine Anlage wie das Heizkraftwerk Mitte findet deshalb auch Lothar Rausch für eine Stadt wie Berlin optimal. Das Heizkraftwerk, das zu den modernsten Europas gehört, versorgt über 60000 Wohnungen und 500 Großkunden mit Wärme.
Gute Gebäudedämmung – niedrige Vorlauftemperatur
Laut Umweltbundesamt spielt Fernwärme darüber hinaus für die Luftreinhaltung in Wohngebieten eine wichtige Rolle, da sie viele Einzelheizungen ersetzt und somit Emissionen vermeidet. „Gerade in Großstädten sollte das Fernwärmenetz weiter ausgebaut werden, sofern Erdgas oder erneuerbare Energien als Brennstoff genutzt werden“, sagt Hertle. Der Ausbau stehe auch nicht im Widerspruch zum energiepolitischen Ziel, den künftigen Energiebedarf so weit wie möglich zu reduzieren. „Bis wir tatsächlich nennenswert weniger Strom und Wärme benötigen, wird es noch dauern.“ Noch für mindestens drei Jahrzehnte sei Fernwärme deshalb eine sinnvolle Übergangsstrategie. „Allerdings sollten neue KWK-Anlagen und Fernwärmenetze so geplant werden, dass sie sich problemlos umbauen lassen, wenn der Energiebedarf irgendwann schrumpft und durch erneuerbare Energien abgedeckt wird.“
Fernwärme wird zudem umso umwelt- und klimafreundlicher, je besser die damit versorgten Gebäude gedämmt sind. Schon heute liegt die Vorlauftemperatur bei der Fernwärmelieferung teilweise bei „nur“ noch 130 Grad Celsius. Hans Hertle: „Bei sehr gut gedämmten Häusern würden 90 oder sogar nur 70 Grad Celsius reichen.“ Je niedriger die Temperatur, desto weniger Energie geht auch beim Transport vom Kraftwerk in die Häuser verloren.
Kristina Simons
Fernwärme in Berlin
Der Versorger Vattenfall versorgt rund 620000 Berliner Haushalte (etwa 27 Prozent) mit Fernwärme, davon 70 Prozent für Heizung und Warmwasser, 30 Prozent ausschließlich fürs Heizen. Der KWK-Anteil an der Berliner Fernwärme liegt bei 93 Prozent. Vattenfall betreibt derzeit zehn Heizkraftwerke. Jeweils zu 45 Prozent nutzen sie Erdgas und Kohle, die restlichen zehn Prozent machen andere Brennstoffe wie Biomasse aus. Das Berliner Fernwärmenetz umfasst derzeit knapp 1600 Kilometer und soll weiter ausgebaut werden. Pro Jahr wächst das Netz um 20 bis 25 Kilometer, so Vattenfall-Sprecher Hönemann. „Dieser Umfang entspricht dem Bedarf von ungefähr 20000 Wohnungen.“ Da die Wärme durch KWK erzeugt werde, würden sich die CO2-Emissionen pro neu angeschlossenem Haushalt im Jahr um circa eine Tonne reduzieren. „Gegenüber einer konventionellen Wärmeversorgung mit Gas werden jährlich insgesamt 750000 Tonnen CO2 eingespart.“
Auch in die Kraftwerke selbst will Vattenfall bis zum Jahr 2020 kräftig investieren und einige davon durch neue und effizientere Anlagen ersetzen: So soll etwa am Standort Lichterfelde ein modernes Gas- und Dampfturbinen-Heizkraftwerk auf Erdgas-Basis das mehr als 40 Jahre alte Heizkraftwerk ersetzen. Spätestens 2020 soll hier zudem das Steinkohle-Heizkraftwerk Reuter C stillgelegt werden. An den Standorten der Heizkraftwerke Lichtenberg und Klingenberg sollen ebenfalls neue Gas- und Dampfturbinenkraftwerke gebaut werden. Außerdem sollen in Klingenberg zwei Biomasse-Heizkraftwerke entstehen und das Fernheizwerk im Märkischen Viertel um ein Biomasse-Heizkraftwerk ergänzt werden.
ks
MieterMagazin 11/10
Foto: Christian Muhrbeck
Fernwärme ist eine umweltfreundliche Art der Beheizung, wenn das Kraftwerk mit CO2-armen Brennstoffen betrieben wird
Foto: Vattenfall
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Vom Kraftwerk in die Wohnung
Die Fernwärme, die in den über die ganze Stadt verteilten Heizkraftwerken erzeugt wird, gelangt mittels Heißwasser über gedämmte Rohrleitungen in die angeschlossenen Gebäude. Mehr als 326000 Kubikmeter Wasser zirkulieren in diesem System. Die Rohrleitungen können in der Erde verlegt sein oder oberirdisch verlaufen. In der Hausübergabestation der angeschlossenen Gebäude wird die Wärme übergeben. Das ausgekühlte Wasser gelangt dann wieder vom Gebäude zurück ins Leitungsnetz.
Fernwärmenetze versorgen ganze Stadtteile mit Wärme. Sind dagegen lediglich einzelne Gebäude oder Wohnsiedlungen an ein Wärmenetz angeschlosssen, spricht man von Nahwärme.
ks
30.05.2013