Mit dem Ofen, besonders jenem aus Kacheln gefertigten, der unlängst noch in sämtlichen Berliner Altbauwohnstuben anzutreffen war, verbinden sich vermutlich mentalitätsbedingt unterschiedliche Gefühle: Dem Einen ist die tönerne Feuerstelle Quell unangenehmer Erinnerungen an die Mühen, die die Beischaffung des Heizmaterials und Entsorgung der Asche mit sich brachte. Der Andere kann sich in eine Bratapfelduft-durchdrungene Heimeligkeit hinein erinnern, die sich heute bei zentraler Beheizung trotz Vorhandenseins moderner Surrogate wie etwa dem Kaminfeuer auf DVD nicht einstellen will. Beiden Charakteren sei ein „Platz am Ofen“ nahegelegt.
In diesem Buch, Teil 1, steht der Kachelofen, seine Technik, seine Formen und seine Kulturhistorie im Vordergrund der Betrachtung. Im Hintergrund steht das gute alte Stück im zweiten Teil des Buchs, wo es die Kulisse bildet für fotografierte Alltagsszenen aus Berliner Wohnzimmern, die aufschlussreiche Dokumente kleinbürgerlichen Zeitgeistes vor 80 bis hundert Jahren sind. Empfehlung: Lesen Sie das Buch oder blättern Sie darin bei Kerzenschein an einem nasskalten Dezembertag neben einem – wenn vorhanden – Behaglichkeit verströmenden Ofen.
Udo Hildenstab
Das Buch ist auch Katalog einer gleichnamigen Ausstellung im Ofenmuseum Velten, die noch bis 31. Dezember 2010 zu sehen ist.
Infos im Internet unter www.ofenmuseum-velten.de
MieterMagazin 12/10
Binger, Hellemann, Seydewitz: Ein Platz am Ofen, Velten, 160 Seiten, zahlreiche Schwarz-Weiß-Abbildungen, 11,80 Euro
11.04.2013