Der Senat hat drei weitere Sanierungsgebiete aus der Sanierung entlassen. Für die Quartiere Rosenthaler Vorstadt in Mitte, Kollwitzplatz in Prenzlauer Berg und Weitlingstraße in Lichtenberg zieht der Senat eine „erfolgreiche“ Sanierungsbilanz. Das Ziel, die ansässige Bevölkerung vor einer sanierungsbedingten Verdrängung zu schützen, muss aber zumindest in Mitte und Prenzlauer Berg als gescheitert angesehen werden.
In den 14 beziehungsweise 15 Jahren als Sanierungsgebiet sind in den drei Stadtvierteln insgesamt 284 Millionen Euro vom Bund und vom Land Berlin ausgegeben worden. Damit wurden Straßen, Gehwege, Grünanlagen und Spielplätze erneuert, Schulen und Kitas saniert sowie – bis 2001 – die Modernisierung von Wohnungen gefördert. In der Rosenthaler Vorstadt sind 80 Prozent der Altbauwohnungen umfassend erneuert worden, rund um den Kollwitzplatz sind es 65 Prozent und an der Weitlingstraße fast 70 Prozent.
Die Gebiete haben sich in den letzten Jahren „mit großer Dynamik zu lebendigen und jungen Wohnquartieren gewandelt“, erklärt die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. „Es ist gelungen, durch die Sanierung ein positives und attraktives Wohnumfeld zu schaffen. Ein deutliches Zeichen dieses Erfolgs ist der starke Zuzug von neuen Bewohnern.“
Die Kehrseite des Erfolgs ist die starke Abwanderung von alten Bewohnern der Sanierungsgebiete, die in Mitte und Prenzlauer Berg zu einem weitgehenden Bevölkerungsaustausch geführt hat. So haben nur 17,3 Prozent der heutigen Bewohner am Kollwitzplatz schon vor 1993 im Gebiet gelebt, hingegen ist die Hälfte der Bewohner erst nach 2002 zugezogen. Eine solch grundlegende Umwälzung kann nicht mehr mit der erhöhten Fluktuation bei Sanierungsmaßnahmen begründet werden. Die Verdrängung einkommensschwächerer Bewohner ist hier offensichtlich. Das durchschnittliche Nettohaushaltseinkommen lag 1993 noch 40 Prozent unter dem West-Berliner Niveau, heute liegt es jedoch 40 Prozent darüber. Bei Neuvermietungen wird bei der verlangten Nettokaltmiete pro Quadratmeter die Zehn-Euro-Schallmauer nicht selten durchbrochen. Die Eigentumsquote ist hoch. Ganz ähnliche Entwicklungen sind auch in der Rosenthaler Vorstadt zu beobachten.
Seit das Land Berlin 2002 die Förderung von Wohnungssanierungen eingestellt hat und die Mietobergrenzen vom Bundesverwaltungsgericht kassiert wurden, nimmt der Senat keinen Einfluss mehr auf die Mietentwicklung in den Sanierungsgebieten. Mietpreisdämpfend wirken nur noch die vor 2002 geförderten Wohnungen, die meist über 25 Jahre mietpreis- und belegungsgebunden sind. In der Rosenthaler Vorstadt sind das knapp 1000 Wohnungen, am Kollwitzplatz 1150 und an der Weitlingstraße um die 900.
Jens Sethmann
MieterMagazin 1+2/09
Die Sanierung hat die Einkommensschwachen vom Kollwitzplatz verdrängt (hier: ein in Eigentumswohnungen umgewandeltes Haus
Foto: Jens Sethmann
09.06.2013