Stadt oder Land – wo lebt es sich günstiger? 80 Fachleute haben ihre Erkenntnisse auf einer Tagung in Erfurt präsentiert. Das Fazit: Wir werden weniger, älter und ärmer – in der Stadt lebt es sich damit am besten.
Ein Schwerpunkt der Tagung „Wohnen in der Stadt“ war die Frage der objektiven Kosten bei der Wohnstandortwahl: Wie viel fällt tatsächlich an, wenn man in der Stadt wohnt oder in das Umland zieht? Hintergrund ist, dass Bau- und Umzugswillige oft nur kurzfristige Kosten für Haus oder Wohnung betrachten, Mobilitätskosten, Zeitaufwand für zurückzulegende Wege oder die sich verändernden Bedürfnisse an Infrastruktureinrichtungen außer Acht gelassen werden. Die Präsidentin der Deutschen Akademie für Städtebau und Landesplanung, Christiane Thalgott, widerlegt das Klischee von überteuerten Stadtwohnungen und dem günstigen Wohnen im Umland der Städte: „Egal, ob man boomende Metropolen oder Städte in wirtschaftlich schwächeren Metropolen betrachtet: Die Summe von Miete und Mobilitätskosten ist an der Peripherie immer höher als im Zentrum.“
Dabei ist Geld nicht einmal alles in dieser Rechnung. Denn lange Wege wirken sich nicht nur finanziell aus, sondern auch im Zeitbudget: „Gerade Familien mit kleinen Kindern wollen ins Grüne ziehen, doch sie müssen nach ein paar Jahren besonders viele und weite Wege zurücklegen.“ Zum langwierigen Pendeln ins Büro, das meist in der Stadt liegt, kommen Fahrten zur Kinderkrippe oder Schule, zum Flötenunterricht oder Fußball. Auch der Weg zum Supermarkt ist außerhalb der Stadt meist länger.
Doch die Altersgruppe jener, die Haushalte gründen, wird ohnehin immer kleiner. Es lässt sich prognostizieren, dass die Gesellschaft immer älter wird und dabei auch schrumpft: Geringe Geburtenraten und steigende Lebenserwartungen gehen Hand in Hand. „Auch die wachsende Zahl der Senioren ist in der Stadt besser aufgehoben“, sagt Thalgott. „Kurze Wege sind gerade im Alter von Vorteil, die Versorgungsdichte spielt in diesem Lebensabschnitt eine zunehmend große Rolle.“ Ob Unterstützung im Alltag, medizinische Betreuung oder kulturelle Unterhaltung: Eine breite Angebotspalette, die auch noch erreichbar ist, biete lediglich die Stadt.
Bei schwindendem Wohlstand könnten zudem Selbsthilfeprojekte an Bedeutung gewinnen. Auch dabei ist ein sozial engmaschiges Lebensumfeld von Vorteil. „Wer zudem barrierefreien, altersgerechten Wohnraum benötigt“, so Thalgott, „wird eher in der Stadt das Richtige finden.“
Lars Klaaßen
MieterMagazin 4/09
Ein dichtes und schnell erreichbares Versorgungsnetz spielt gerade im Alter eine wichtige Rolle
Foto: Christian Muhrbeck
08.06.2013