Riesige Werbeplakate prangen immer öfter an Gebäuden und prägen mittlerweile das Berliner Stadtbild. Vor allem für die, die dahinter wohnen, sind sie nicht zu übersehen. Der Widerstand dagegen wächst. Zum Jahresende soll die Bauordnung geändert und Großflächenwerbung ab einer gewissen Höhe und Hängedauer genehmigungspflichtig werden.
Besonders hart traf es im letzten November die Bewohner eines Hochhauses in der Rochstraße nahe des Hackeschen Marktes: Ein 70 Meter hohes, lichtundurchlässiges Werbeposter an der Hausfassade versperrte den Mietern die Sicht und verdunkelte ihre Wohnungen. Mit den Werbeeinnahmen sollten das Foyer und die Balkone des Fluchttreppenhauses saniert werden. Die Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM), der ein Großteil der Wohnungen in dem Haus gehört, hatte die Plane aufhängen lassen. Bewohner protestierten und hatten schon nach wenigen Tagen Erfolg: Die WBM ließ die Großwerbung wieder entfernen und erklärte die Verdunkelung mit einem Vertragsfehler: Die beauftragte Firma hätte eigentlich eine transparente Plane aufhängen sollen. „Von einer neuen Bespannung haben wir Abstand genommen“, so WBM-Sprecherin Steffi Pianka.
„Die Verhüllung mit Großflächenwerbung ist mittlerweile zur Manie geworden“, kritisiert Claudia Hämmerling, verkehrspolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus. Werbeplanen wie die in der Rochstraße beeinträchtigten die Wohnqualität und das Stadtbild. Auch die überdimensionierten Plakate am Bettenhaus der Charité, am Charlottenburger Tor, dem Kronprinzenpalais oder der St.-Hedwig-Kathedrale rufen bei vielen Berlinern Unmut hervor. Verantwortlich sei die rot-rote Koalition, so Hämmerling. Sie habe 2005 die Bauordnung für Berlin auf bundesweit einzigartige Weise liberalisiert und Großflächenwerbung praktisch genehmigungsfrei gestellt. So steht in § 10 der seinerzeit geänderten Bauordnung (BauO Bln), dass Werbung an Baugerüsten oder Bauzäunen nicht als Verunstaltung des Straßenbildes verboten sei. „Ihre zeitlich begrenzte Anbringung rechtfertigt einen anderen Beurteilungsmaßstab als bei dauerhaft angebrachter Werbung“, hieß es damals zur Begründung. Das Verunstaltungsverbot greift auch nicht bei Werbung, „die vorübergehend angebracht wird und mit deren Inhalt vorrangig im öffentlichen Interesse liegende Ziele und Zwecke verfolgt werden“.
Hämmerling kritisiert, dass Eigentümer die Fassaden oft nur zu Werbezwecken verhängen würden, ohne dass dies bautechnisch erforderlich wäre. Wenn doch, erfolge die Verhüllung über einen wesentlich längeren als den Bauzeitraum. Die Grünen beantragten bereits im Januar 2008, dass Großflächenwerbung mit mehr als zehn Quadratmeter Ansichtsfläche oder mehr als fünf Meter Bauhöhe genehmigungsbedürftig wird. Zudem müsse Berlin an den Werbeeinnahmen beteiligt werden – sie belaufen sich jedes Jahr auf zweistellige Millionenbeträge. Für die kommerzielle Nutzung des öffentlichen Raumes durch Großflächenwerbung sollten deshalb Gebühren erhoben werden.
Begrenzte Höhe – begrenzte Dauer
Tatsächlich steht eine Änderung der Bauordnung derzeit auf der Tagesordnung des Berliner Senats. Geplant ist, dass Werbeflächen ab fünf Metern Höhe offiziell genehmigt werden müssen. „Große Werbebanner an Baugerüsten und Bauzäunen sollen künftig nur noch bis zu einer begrenzten Höhe vom sogenannten Verunstaltungsverbot freigestellt sein und auch nur für die Dauer der Bautätigkeit“, erläutert Mirko Rosteck, Sprecher der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Auch das öffentliche Interesse an einer Werbung könne dann nichts an der Genehmigungspflicht ändern. In Kraft treten werde die geänderte Bauordnung voraussichtlich frühestens im Dezember 2009, so Rosteck. „Der relativ lange Zeitraum ist mit der notwendigen Absprache und Zustimmung vieler Beteiligter aus Senat, Abgeordnetenhaus und den Bezirken zu erklären“, so Rosteck.
Kristina Simons
MieterMagazin 4/09
Großflächige Werbeplakate geraten zunehmend in die Kritik – die Bauordnung soll Abhilfe schaffen
Foto: Christian Muhrbeck
Rat und Tat
Plane rechtfertigt Mietminderung
Rechtsstreitigkeiten wegen großflächiger Werbung an Hausfassaden sind bislang selten. Allerdings können Bewohner die Miete kürzen, wenn das Gebäude eingerüstet und mit einer Plane verhängt wird. So entschied etwa das Amtsgericht Berlin-Mitte im Jahr 2002, dass dies eine Minderung der Nettokaltmiete um 20 Prozent rechtfertige (AZ 17 C 331/01 vom 3. Juli 2002). Betroffene sollten sich vor einer Kürzung beim Berliner Mieterverein beraten lassen.
ks
08.06.2013