Bereits in den 1860er Jahren differenzierte sich die Berliner Siedlungsstruktur in ein östliches, eher proletarisches Berlin der Mietskasernen und ein westliches, besseres Berlin großbürgerlicher Villenkolonien an der Peripherie.
Wer es sich leisten konnte, kehrte dem Elend und der Überbevölkerung der im Zuge der Industrialisierung sprunghaft gewachsenen Stadt den Rücken. Der Trend der gutsituierten Großverdiener in die grünen Randgebiete hielt zunächst bis 1914 an, prägt aber bis in die heutige Zeit das Ideal vom gesunden und familienfreundlichen Wohnen am Stadtrand. Der Berliner Geschichtsprofessor und Leiter des „Centrums für Metropolenforschung“, Heinz Reif, untersucht in dem von ihm herausgegebenen Band „Berliner Villenleben“ gemeinsam mit 15 weiteren Autoren aus den Gebieten Architektur-, Sozial- und Kulturgeschichte die Rahmenbedingungen der großbürgerlichen Berliner „Westdrift“ in den Jahren um 1900. Neben den Entstehungsvoraussetzungen der Villenkolonien werden unter anderem die Auswirkungen des großbürgerlichen Bauwahns auf die Infrastruktur analysiert und die Schwierigkeiten der denkmalpflegerischen Erhaltung und Nutzung des Villenbestandes in heutiger Zeit thematisiert.
Elke Koepping
MieterMagazin 5/09
Heinz Reif (Hg.), Berliner Villenleben. Die Inszenierung bürgerlicher Wohnwelten am grünen Rand der Stadt um 1900, Gebrüder Mann Verlag, Berlin 2008. 39 Euro
08.06.2013