Als Berlin am 1. Januar 2008 eine Umweltzone einrichtete, lagen keinerlei praktische Erfahrungen vor. Inzwischen gibt es Umweltzonen in 32 Städten, weitere sind geplant. Als erste deutsche Stadt legte Berlin jetzt auch eine Wirkungsanalyse vor. Fazit: Die Dieselrußemissionen sanken um 28, die Stickoxidbelastung durch den Verkehr verringerte sich um 18 Prozent gegenüber 2007. Die Feinstaubwerte insgesamt sind allerdings nur wenig gesunken.
Katrin Lompscher, Senatorin für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz, ist zufrieden: „Unsere Wirkungsanalyse bestätigt unsere Annahme, dass die Umweltzone gesundheitsgefährdende Schadstoffkonzentrationen mindert. Durch die Umweltzone gab es einen erheblichen Modernisierungsschub bei der Fahrzeugflotte.“ In der Tat: 99 Prozent aller in Berlin zugelassenen Pkw und 85 Prozent der Lkw erhielten im vergangenen Jahr eine rote, gelbe oder grüne Plakette und dürfen bis Ende 2009 ungehindert in der 88 Quadratkilometer großen Umweltzone im inneren S-Bahn-Ring fahren. Was Katrin Lompscher bei der Vorstellung des Berichts am 15. April 2009 nicht erwähnte: 25.400 Verstöße – die meisten davon von Nicht-Berlinern – registrierte die Polizei bisher. Über 5000 Bußgeldbescheide wurden erlassen und über 6000 Kostenbescheide verschickt. Rund 350.000 Euro hat die Stadt damit eingenommen.
Viele Berliner haben ihre Autos im letzten Jahr ersetzt oder nachgerüstet. 2008 wurden in Berlin deutlich mehr neue Fahrzeuge mit schadstoffarmen Emissionen zugelassen als im Bundesdurchschnitt. In diesem Jahr wird auch die Abwrackprämie zu einer weiteren Modernisierung des Fahrzeugparks und damit zu einem Rückgang der Emissionen beitragen. Allerdings: Den größten Einfluss auf die Feinstaubwerte hat nicht der Straßenverkehr, sondern das Wetter. Nur etwa 31 Prozent der Emissionen kommen aus dem Berliner Straßenverkehr. Etwa 56 Prozent des Feinstaubs trägt der Wind aus dem Umland, zum Teil sogar aus den Nachbarländern, in die Stadt. Wegen der kalten, trockenen Wetterlage im Januar sind zum Beispiel die Feinstaubgrenzwerte an den 22 Berliner Messstationen bis Mitte April bereits deutlich öfter überschritten worden als im gesamten Vorjahr – 24 Überschreitungstage waren es 2008. Die Europäische Union erlaubt Überschreitungen an maximal 35 Tagen im Jahr.
Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit feiert die Umweltzone als „großen Erfolg“. „Die Umweltzonen werden von den Autohaltern sehr breit akzeptiert“, stellten „Feinstaub-Kontrollteams“ der Deutschen Umwelthilfe bei Umfragen fest. Auch Umweltstaatssekretär Dr. Benjamin-Immanuel Hoff lässt keinen Zweifel daran, dass Berlin auf jeden Fall an der Umweltzone festhalten wird.
Die Wirtschaft protestiert weiter
Aber es gibt auch Kritik. Der ADAC hält die Umweltzone nach wie vor für sinnlos. Kammern und Verbände der Industrie sprechen von einem „Anti-Konjunkturprogramm für die Wirtschaft“, und Stefan Harant, Vorsitzender der SPD-Arbeitsgemeinschaft für Selbstständige, sieht gar ein „Existenzrisiko Umweltzone“. Im März 2009 forderte der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer in einem Schreiben an Wowereit eine Befreiung von Reisebussen von der Plakettenpflicht. „Die Umweltzone gefährdet die Existenz vieler kleiner und mittelständischer Busunternehmen“, so der Verband. Senatorin Katrin Lompscher lässt solche „Unkenrufe“ nicht gelten. Die Fahrverbote hätten bisher keine Unternehmen in den Ruin getrieben, die Touristenzahlen seien nicht zurückgegangen. Der Verkehr habe sich auch nicht, wie vermutet, in die Außenbezirke verlagert. Innerhalb der Umweltzone sei der Gesamtverkehr um 3,9 Prozent zurückgegangen, außerhalb sogar um 6,3 Prozent.
Rainer Bratfisch
MieterMagazin 5/09
Die Umweltsenatorin zieht Bilanz:
Was hat die Umweltzone gebracht?
Fotos: Sabine Münch
Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz, Referat III D: Untersuchungen zur Wirkung der Berliner Umweltzone. 24 Seiten.
Handlungsbedarf
Nach Angaben der Deutschen Umwelthilfe fahren in Berlin noch immer etwa 40.000 Pkw mit funktionsuntüchtigen Rußpartikelfiltern. Das Bundesverkehrsministerium, das Bundesumweltministerium und das Kraftfahrt-Bundesamt haben die Betriebserlaubnisse für die unwirksamen Filter noch immer nicht zurückgenommen. Die Deutsche Umwelthilfe spricht bereits vom „Straftatbestand der Haushaltsuntreue“. Noch ist auch der CO2-Ausstoß für Neuwagenkäufer nicht immer sofort ersichtlich. Das Umweltbundesamt fordert deshalb von den Pkw-Herstellern eine neue Kennzeichnung, die den Kraftstoffverbrauch und den CO2-Ausstoß auf den ersten Blick sichtbar macht.
rb
27.11.2016