Die Überschrift „Soziale Stadtentwicklung und fairer Klimaschutz“ sollte die politischen Diskussionsinhalte der Delegiertenversammlung des Berliner Mietervereins (BMV) am 11. Mai zusammenfassen. Atmosphärisch treffend könnte man die Grundstimmung des Abends auch so beschreiben: Es zahlt sich auch in der Wirtschafts- und Finanzkrise aus, wenn man weder den Über- noch den Fernblick verliert.
Für den Ansatz politischer Weitsicht stand als Themenschwerpunkt zunächst der Klimaschutz, der „uns länger beschäftigen wird als die derzeitige Wirtschaftskrise“, wie der BMV-Vorsitzende Dr. Franz-Georg Rips zu bedenken gab. Zwar befänden sich zurzeit die Berliner Neuvermietungs- und Bestandsmieten in einer kräftigen Aufwärtsbewegung, der größte und anhaltende Schub bei den Wohnkosten gehe aber von den Betriebs- und Heizkosten aus. Klimaschutz und Energieeinsparung seien die umweltpolitische wie die soziale Zukunftsaufgabe Nummer Eins.
Eine Sicht, der sich im Grundsatz auch Benjamin Hoff, „Staatssekretär für Lebensqualität“ (Eigeneinschätzung) anschloss. Als Hauptreferent des Abends stellte Hoff die Eckpunkte des klimaschutzpolitischen Programms der Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt- und Verbraucherschutz dar. Das geplante Berliner Klimaschutzgesetz reagiere auf die Kritik des Berliner Mietervereins, der immer wieder bemängelt, dass wichtige Regelungen zur energetischen Ertüchtigung, zum Einsatz regenerativer Energien und zur CO2-Reduktion bislang im Wohnungsbestand keine Anwendung finden. Bei allen Maßnahmen aber, so Hoff, müssten die Berliner Sozialstruktur und die vorhandene Kaufkraft berücksichtigt werden: „Klimaschutz muss man sich auch leisten können.“ Das Angebot Hoffs, den Dialog mit dem Mieterverein in diesem Sinne fortzusetzen und zu intensivieren, wurde durch den Vorsitzenden offensiv aufgenommen. Die anschließende Diskussion mit den Delegierten verdeutlichte die Kernproblematik: Wie, über welche Regelungen und Maßnahmen und zu welchem Zeitpunkt kann eine warmmietenneutrale Umlage der Investitionen zur Energieeinsparung in Wohngebäuden gesichert werden?
Fern- und Zukunftsblick dürfen die realistische Sicht auf das nähere Umfeld des Berliner Wohnungsmarktes nicht verdrängen. Der Vorsitzende kritisierte anschließend in seinem wohnungspolitischen Geschäftsbericht die senatsseitig strapazierte These, dass man nirgendwo in anderen deutschen und europäischen Großstädten so preiswert wohne wie in Berlin. Abstrakt sei diese Aussage zwar richtig. „Aber wer Berliner mit Hamburger Mieten vergleicht, der muss auch dazu sagen, dass das Durchschnittseinkommen – sprich die Wohnkaufkraft – in Berlin lediglich bei 63 Prozent des Hamburger Niveaus liegt“, so Rips.
Wenn die richtigen Weichen gestellt werden, kann es auch in der Wirtschafts- und Finanzkrise positive Nachrichten geben. Gesunde Finanzen und einen Nettozuwachs an Mitgliedern von gut 3,2 Prozent hat der Verein unter erschwerten Rahmenbedingungen erzielt. Nicht ohne Stolz präsentierte Hauptgeschäftsführer Hartmann Vetter das Ergebnis eines sogenannten „Benchmarkings“ bei diversen Mitgliedsvereinen des Deutschen Mieterbundes (DMB). Dieser objektivierte Vergleich von Kennziffern im Bereich Erreichbarkeit, Rechtsberatung und Mitgliederverwaltung bescheinigte dem Berliner Mieterverein eine Spitzenposition unter 56 DMB-Vereinen. Angesichts von soviel mieten- und organisationspolitischem Nah,- Weit- und Überblick war die diesjährige Delegiertenversammlung von außerordentlicher Eintracht geprägt.
ah
MieterMagazin 6/09
„Der Berliner Senat reagiert in seiner Klimapolitik auf die Forderungen des Mietervereins“: Staatssekretär Hoff aus der Berliner Umweltsenatsverwaltung in seinem Referat vor den BMV-Delegierten
Foto: Christian Muhrbeck
07.04.2013