Strom und Wärme waren auch schon in alten Zeiten erhebliche Kostenfaktoren – in den Anfängen der Haushaltsversorgung mehr noch als heute. Und wer kein Geld hatte, konnte auch keine Energie beziehen – die Bezahlung erfolgte direkt per Münzeinwurf.
Der in Friedrichshain aufgewachsene Schriftsteller John Stave (1926 bis 1993) konnte sich gut erinnern, wie in seiner Kindheit abkassiert worden ist. In seinem mittlerweile vergriffenen Buch „Stube und Küche – erlebtes und erlesenes“ schrieb er über die frühen 30er Jahre: „Der Gaszähler ist ein Groschengrab. Der Begriff ‚Gasgroschen‘ wird zum Schreckgespenst. Oft werde ich zu Nachbarsleuten geschickt, ob sie mal einen Gasgroschen borgen könnten. Aber die haben manchmal selber keinen.“ Ohne Einwurf einer Münze lieferte der Automat auch keinen Brennstoff.
Die Gasversorgung war seinerzeit zwar schon lange in Berlin etabliert. Erste Straßenbeleuchtungen gab es bereits seit 1826. Im Laufe des 19. Jahrhunderts erhielten auch die Haushalte flächendeckend Anschlüsse für die Zimmerbeleuchtung mit Gaslampen. Doch obwohl diese Form der Energieversorgung in Staves Kindheit keine High-Tech-Ausstattung mehr darstellte, waren die Kosten noch so hoch, dass Privatkunden keine Vorauslieferung gewährt wurde. Vor dem Hintergrund der damaligen Weltwirtschaftskrise bemerkte Stave sarkastisch: „Der Groschenautomat ist eine menschenfreundliche Einrichtung. Er soll verhindern, dass sich die Leute mit Gas das Leben nehmen.“ Das Prozedere des Abkassierens ist in seinen Erinnerungen ein schmerzhafter Abschied vom knappen Haushaltsgeld: „Einmal im Monat kommt der Gasmann. Er löst eine Plombe am Gaszähler und zieht einen Behälter heraus, der die Gasgroschen aufgenommen hat. Der Behälter wird auf dem Küchentisch ausgeschüttet und der Gasmann zählt die Geldstücke. Ehe er sie in ein Papierblatt einrollt, können wir das Geld noch einmal sehen, das uns einst gehörte.“
Hohe Kosten für die Installation
Strom bezog Familie Stave erst ab Herbst 1934. Für Berliner Verhältnisse war sie damit recht spät dran. Die hohen Kosten bremsten den Ausbau der elektrischen Versorgung. „Die ganze Anlage für Stube und Küche kostet fünf Reichsmark. Das ist eine Menge Geld für eine arbeitslose Familie“, erinnert sich der Friedrichshainer. „Aber dafür wird es ganz komfortabel: In jedem Raum eine Steckdose und ein Anschluss für eine Deckenlampe.“ Auch der Stromversorger wartete nicht lange auf sein Geld: „Die Elektrozähler sind keine Groschengräber. Wenn ‚der Elektrische‘ kommt, muss man das Geld auf den Tisch legen. Kann die Rechnung nicht sofort beglichen werden, droht der Kassierer unbarmherzig mit Sperrung der Stromzufuhr.“
Doch auch die Bewag hat Münzzäh-ler genutzt. In den „Mitteilungen der Berliner Elektricitaetswerke“ vom März 1909 heißt es: „Die Einführung dieser Apparate „geschieht in der Absicht, auch solchen Kreisen den Bezug elektrischer Energie zu ermöglichen, die eines voraussichtlich geringen Konsums wegen die Kosten einer Installation scheuen und Stromrechnungen am Ende des Monats vermeiden wollen.“
Strom blieb noch lange ein Luxus. Im „Jahrbuch der Verkehrsdirektion 1926“ wurde vermerkt: „Es zeigt sich, daß die Nutzanwendung der Elektrizität in den einzelnen Stadtbezirken starken Schwankungen unterworfen ist; der Prozentsatz elektrifizierter Wohnungen ist am kleinsten in den Stadtgebieten, deren Bevölkerung wirtschaftlich wenig leistungsfähig ist, am größten in den westlichen Wohngegenden, den Villenvororten und auf dem Lande.“ Um eben jene finanzschwachen Haushalte als Kunden zu gewinnen, führte die Bewag 1926 das Ratenzahlungssystem „Elektrissima“ ein.
Lars Klaaßen
MieterMagazin 6/09
Bis weit in das letzte Jahrhundert hinein kassierten die Energieversorger bei ihren Kunden bar ab
Foto: Archiv Vattenfall
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Über Preiskampf vom Gas zum Strom
Die Energieversorger lieferten früher zwar oft erst nach Vorkasse, doch auf der anderen Seite wollte der Stromversorger Bewag Anreize schaffen, um Privathaushalte zum Wechsel von der Gaslampe zu elektrischer Beleuchtung zu bewegen. 1910 waren erst 3,5 Prozent der Berliner Haushalte elektrifiziert. 1916 entwickelte man ein neues Tarifsystem. Strom wurde bewusst billiger als Gas angeboten, damit die Leute wechselten. Doch der Erste Weltkrieg und die darauf folgenden Krisenjahre bremsten die Elektrifizierung: 1922 bezogen 11 Prozent der Haushalte Strom, 1924 waren es 21,5 Prozent. 1933 waren 76 Prozent der Berliner Haushalte ans Bewag-Netz angeschlossen.
lk
07.06.2013