Dr. Ellen Matthies, Professorin für Umweltpsychologie an der Ruhr-Universität Bochum und der Technischen Universität Trondheim über Umweltbewusstsein und umweltbewusstes Verhalten im Alltag.
MieterMagazin: Frau Matthies, warum verhalten sich Menschen umweltbewusst oder auch umweltschädlich?
Ellen Matthies: Das ist eine sehr individuelle Entscheidung, bei der viele Faktoren eine Rolle spielen: Alltagsroutinen, finanzielle Aspekte oder auch die Frage, wie ein Mensch seinen eigenen Entscheidungsspielraum einschätzt.
MieterMagazin: Zum Beispiel?
Matthies: Kurzfristige Kosten wiegen oft schwerer als langfristige Einsparungen. Dass man mit Energiesparlampen über Jahre gesehen Geld spart, obwohl sie in der Anschaffung teurer sind als Glühlampen, ist für viele nicht kaufentscheidend. Manche Menschen verhalten sich auch umweltbewusst, obwohl sie es eigentlich gar nicht sind, etwa weil sie sich kein Auto leisten können und deshalb eher aufs Rad steigen. Andererseits fehlen manchmal einfach die Strukturen, die ein umweltfreundliches Verhalten fördern: Wo es zum Beispiel keinen guten Öffentlichen Personennahverkehr gibt, sind die Menschen ohne Auto aufgeschmissen.
MieterMagazin: Unter welchen Bedingungen verhalten sich Menschen umweltbewusst?
Matthies: Es sollte einfach sein und Anreize sowie entsprechende Technologien geben, man sollte Wertschätzung für seine Entscheidung erfahren und es dürfen keine Barrieren im Wege stehen. Es muss klare soziale Normen geben, welche Verhaltensweisen erwartet werden, welche angesagt sind.
MieterMagazin: Wissen viele Menschen einfach noch nicht genug über Klimawandel und Umweltschutz?
Matthies: Das Bewusstsein darüber ist weit verbreitet. Das Detailwissen, welche Maßnahmen was bewirken, dagegen schon weniger. Und das Wissen, was man selbst tun kann, ist sogar eher zufällig. Wem etwa bekannt ist, dass der Stand-by-Modus elektrischer Geräte unnötig viel Strom kostet, weiß nicht unbedingt, dass es das Klima auch schützt, weniger Fleisch zu essen.
MieterMagazin: Wovon hängt das Wissen ab?
Matthies: Eine große Rolle spielt, was und wie es in den Medien thematisiert wird, wo Schwerpunkte gesetzt werden. Informationskampagnen wie „EcoTopTen“ vom Öko-Institut oder die Initiative Energieeffizienz der Deutschen Energie-Agentur sind enorm wichtig. Es fehlt jedoch eine zusammenhängende Aufbereitung. Sinnvoll wäre eine übersichtliche Liste, anhand der jeder Haushalt sehen kann, wo er ohne große Anstrengung Energie einsparen kann. Um Umwelt und Klima tatsächlich zu schützen, benötigen die Menschen ein differenziertes Hintergrundwissen.
MieterMagazin: Was sind typische Beispiele für ein eher umweltschädliches Halbwissen?
Matthies: Den Verbrauch eines elektrischen Gerätes machen viele zum Beispiel an seiner Größe fest, doch benötigt eine Kaffeemaschine im Dauerbetrieb mehr Strom als ein effizienter Kühlschrank. Verbreitet ist auch die Meinung, mit einem Erdgasauto etwas für die Umwelt zu tun. Den Kohlendioxidausstoß vermindert man damit jedoch keineswegs. Manche Mythen halten sich hartnäckig. So glauben noch immer viele Menschen, dass man Computer in Arbeitspausen besser nicht abschaltet, da sie dann schneller kaputt gehen.
MieterMagazin: Was ist nötig, damit Menschen ihr Verhalten zugunsten von Umwelt und Energieeffizienz ändern?
Matthies: Zum Beispiel die Erkenntnis, welchen wichtigen Beitrag man selber leisten kann. Dafür muss man sich auf vertrauenswürdige Quellen stützen können, wissen, wer einem Fragen beantworten und Tipps geben kann. Sein Verhalten zu ändern, ist kein einfaches Geschäft. Dabei spielt auch der Aufwand eine Rolle. Es verursacht zum Beispiel viel Mühe, konsequent daran zu denken, den Fernseher ganz auszuschalten, wenn man ihn nicht nutzt. Am leichtesten ist es, wenn es um einzelne Entscheidungen geht, wie etwa beim Autokauf auf den Verbrauch zu achten oder die Gefriertruhe abzuschaffen, weil ein Gefrierfach im Kühlschrank reicht.
MieterMagazin: Würde es Menschen zum Stromsparen animieren, wenn sie, wie bei der Telefonrechnung, monatlich über ihre Stromkosten informiert würden?
Matthies: Ja, eine zeitnahe Rückmeldung auf die eigenen Handlungen und Verhaltensweisen ist psychologisch sehr wichtig. Das sogenannte Smart Metering ermöglicht es dank digitaler Zähler, den eigenen Stromverbrauch nachzuvollziehen. Strom zu sparen wird dadurch leichter, denn man erfährt unmittelbar, welche Aktionen im Haushalt wie viel Strom verbrauchen. Und ein effizienteres Handeln wird damit sofort belohnt.
MieterMagazin: Frau Matthies, wir bedanken uns für das Gespräch.
Das Interview führte Kristina Simons.
MieterMagazin 11/09
"Es braucht soziale Normen dafür, welche Verhaltensweisen erwartet werden": Dr. Ellen Matthies
Foto: Tanja Fliege
07.04.2013