Der Trend der letzten Jahre setzt sich fort: In Berlin werden hauptsächlich preisgünstige Wohnungen nachgefragt, bei den teuren ist die Nachfrage weitgehend gedeckt. In neugebauten Wohnhäusern liegen die Mieten aber meistens im höheren Preissegment, was diese Wohnungen zur aktuellen Bedarfsdeckung uninteressant macht. Stellt sich die Frage: Was tun?
Die Bevölkerung in Berlin wuchs bis vor Kurzem langsam, aber stetig. Erstmals seit der Wende waren in Berlin 2007 und 2008 Geburtenüberschüsse zu verzeichnen. Auch der Anteil der Senioren steigt seit Jahren überdurchschnittlich an. Menschen aus anderen Bundesländern zieht es in die Hauptstadt. Immer weniger Berliner wandern ins Umland ab.
Schneller noch als die Einwohnerzahl nimmt in Berlin die Zahl der Haushalte zu. Das liegt insbesondere an ihrer anhaltenden Verkleinerung, heißt es in dem von der Investitionsbank Berlin (IBB) vorgelegten Wohnungsmarktbericht 2008. Der Einpersonenhaushalt ist mit 53 Prozent der am weitesten verbreitete Haushaltstyp – Tendenz: steigend. Bei Einpersonenhaushalten handelt es sich hauptsächlich um Senioren, Alleinstehende oder Studenten, die in der Regel über keinen großen finanziellen Spielraum verfügen.
Dem gegenüber steht, dass sich ein seit mehreren Jahren ohnehin nur dürftiges Wachstum des Wohnungsbestandes in Berlin weiter abgeschwächt hat. 2007 lag es, wie aus dem Wohnungsmarktbericht hervorgeht, nur noch bei knapp 0,2 Prozent. Dabei entstanden die neuen Wohnungen zu über 60 Prozent in den Außenbezirken als Ein- und Zweifamilienhäuser.
Die Investitionsbank Berlin rechnet damit, dass sich die Zahl der fertig gestellten Wohnungen in den nächsten Jahren bei 4000 bis 4500 Wohneinheiten pro Jahr einpegeln wird. Dabei erwartet man einen wachsenden Anteil an Mehrfamilienhäusern, während der Anteil von Ein- und Zweifamilienhäusern wieder deutlich zurückgehe, heißt es. Doch die Mieten in solchen Neubauten sind relativ hoch und für die derzeitigen Nachfrager am Markt nicht bezahlbar.
Ein guter Teil der vorhandenen und noch zu erwartenden Nachfrage könnte aus unbewohnten Beständen aufgefangen werden. Wie viel leer stehender Wohnraum in Berlin aber beispielsweise tatsächlich vermietbar ist, bleibt nach wie vor unklar. Der Berliner Mieterverein geht davon aus, dass ein beträchtlicher Teil der im Wohnungsmarktbericht deklarierten 107.500 leer stehenden Wohnungen, dem Markt überhaupt nicht zur Verfügung steht (MieterMagazin-Titel 5/09: „Zahlen ohne Wert“) – sei es, weil sie in Ferienwohnungen um-funktioniert wurden, Eigentümer aus spekulativen Gründen nicht vermieten wollen, mit der Neuvermietung schlichtweg überfordert sind oder weil die Wohnungen in einem substanziell desolaten und damit unvermietbaren Zustand sind. Über 100.000 leer stehend verfügbare Wohnungen müssten auf den Markt Auswirkungen haben und auch die Situation der jetzigen Nachfrager entspannen – was nachweislich nicht der Fall ist.
BMV: Leere Wohnungen bewohnbar machen
„In Zukunft muss der vorhandene Wohnungsbestand in Berlin besser genutzt werden, um preiswerten Wohnraum zu schaffen“, so Reiner Wild vom Berliner Mieterverein. Wolle man hingegen auch den Neubau für die Versorgung einer breiteren Nachfrage mobilisieren, bedürfe es neuer Finanzierungsmodelle über Fördermittel.
Dr. David Eberhard, Pressesprecher beim Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen BBU sieht es ähnlich: Die Politik müsse sich in den nächsten Jahren etwas einfallen lassen, um den Bedarf auch über preisgünstigen Neubau zu decken. „Möglich wäre, in Problemgebieten eine regionale Förderung, zum Beispiel eine Investitionszulage für Neubau einzuführen“, schlägt Dr. Franz-Georg Rips, Präsident des Deutschen Mieterbundes (DMB), vor.
Auch mit einer probeweisen Wiedereinführung der degressiven Abschreibung für Neubau wäre der DMB einverstanden. Der Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen hält das für eine gute Lösung, um einen Anreiz für Neubau zu geben.
Bettina Karl
„Keine Engpässe ersichtlich“
Eine Frage an Hella Dunger-Löper, Staatssekretärin für Bauen und Wohnen in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung
MieterMagazin: Welche Maßnahmen halten Sie für notwendig, um mittel- und langfristig den Bedarf an Wohnraum zu decken?
Hella Dunger-Löper: Da Berlin über ein breites Wohnungsangebot verfügt, kann ein großer Teil der Nachfrage sowohl bei der Versorgung einkommensschwächerer als auch einkommensstärkerer Haushalte aus dem Bestand gedeckt werden. Wenn es uns darüber hinaus gelingt, das Neubauvolumen in Berlin wieder an ein höheres Niveau heranzuführen, dann sehe ich gesamtstädtisch für die Versorgung der Berliner und der nach Berlin neu zuziehenden Haushalte keine gravierenden Engpässe. Zur langfristigen Deckung des Wohnungsbedarfes sind jährlich mindestens 5000 Neubauwohnungen notwendig. Um das zu unterstützen, werden landeseigene Grundstücke an Baugruppen vergeben oder Bauflächen in der Innenstadt aktiviert.
Interview: Bettina Karl.
MieterMagazin 12/09
Tür zu: Neubauwohnungen sind für die vielen Nachfrager mit eher geringen Einkommen nicht bezahlbar
Foto: Kerstin Zillmer
05.06.2013