Wo Ökostrom drauf steht, ist offenbar nicht immer Ökostrom drin. Die Verbraucherzentralen und Greenpeace werfen Stromversorgern „Betrug am Verbraucher“ und Etikettenschwindel vor.
Manche regionale Stromanbieter würden herkömmlichen Strom aus Atom- oder Kohlekraftwerken als „Ökostrom“ verkaufen, so der Vorwurf. Im Zentrum der Kritik steht das sogenannte „Renewable Energy Certificate System“ (RECS). Zu diesem Zertifizierungssystem haben sich 173 Mitglieder aus fünfzehn europäischen Ländern zusammengeschlossen: Stromversorger, aber auch Umweltorganisationen. Mit ihm soll sichergestellt werden, dass die vom Kunden bestellte Ökostrommenge auch tatsächlich der Menge entspricht, die aus erneuerbaren Energiequellen hergestellt worden ist. Ein umweltfreundlicher Energieerzeuger, beispielsweise ein Wasserkraftwerk aus Skandinavien, kann sich beim RECS-System registrieren lassen. Von da an erhält er für jede erzeugte Megawattstunde Strom ein RECS-Zertifikat, das in der Datenbank des Systems abrufbar ist und dem Strommarkt zur Verfügung steht. Ein Stromhändler in Deutschland hat nun die Möglichkeit, die Menge an RECS-Zertifikaten zu kaufen, die dem Verbrauch des von ihm belieferten Ökostrom-Kunden entspricht. Das heißt: Der Stromhändler liefert seinem Kunden zwar weiterhin Atom- oder Kohlestrom, darf diesen nun aber offiziell als „Ökostrom“ bezeichnen. Das Wasserkraftwerk wiederum muss nach dem Verkauf der Zertifikate die gleiche Menge seines ökologisch erzeugten Stroms als „konventionell“ umetikettieren. Als „reinen Verschiebebahnhof“ bezeichnete Dr. Torsten Kasper vom Verbraucherzentrale Bundesverband diese Praxis.
Kritisiert wird vor allem, dass der Verbraucher, der von dem Stromversorger mit RECS-Ökostrom beliefert wird, glaubt, mit seiner Rechnung würde er den Ausbau von Strom aus erneuerbaren Energien fördern.
Christof Timpe vom Öko-Institut in Freiburg, das in Deutschland den Handel mit RECS-Zertifikaten überwacht, versteht die Kritik nicht. Jeder könne behaupten, dass Ökostrom ins Netz eingespeist werde. Aber nur mit RECS ließe sich das auch nachweisen.
Umweltverbände verweisen jedoch darauf, dass positive Veränderungen nur erreicht werden, wenn neue regenerative Anlagen gebaut und betrieben und die konventionellen Kraftwerke verdrängt würden. Sie empfehlen den Verbrauchern deshalb, bei der Auswahl eines Ökostrom-Anbieters darauf zu achten, welche Versprechen dieser mit dem Ökostromangebot verbindet. In Deutschland verzichten unter anderem „Greenpeace energy“ und die Naturstrom AG auf den Einsatz von RECS-Zertifikaten, sowie alle Anbieter, die das Gütesiegel „Grüner Strom Label e.V.“ tragen.
Sina Tschacher
MieterMagazin 5/08
So funktioniert das System mit den Öko-Zertifikaten
Grafik: Haus + Energie
13.04.2013