Nach gut 14 Jahren wurde das Friedrichshainer Sanierungsgebiet Samariterviertel im Januar 2008 aufgehoben. Bis dahin sind über 90 Prozent der Altbauwohnungen erneuert worden – das ist bislang noch nirgendwo gelungen. Die Sanierung der Schulen hinkt jedoch noch hinterher und wird die Beteiligten noch einige Jahre beschäftigen.
Die Sanierung kam im Samariterviertel vergleichsweise schnell in Fahrt. Die Investoren haben das Potenzial des verkehrsgünstigen Gebietes früh erkannt. Durch die reichhaltigen Fördergelder entstand zudem eine Sogwirkung, die das Gebiet schnell attraktiv gemacht hat. Dafür spricht auch die extrem hohe Erneuerungsquote von über 90 Prozent.
Das Samariterviertel als traditioneller Wohnort „kleiner Leute“ hat einen hohen Anteil kleiner Wohnungen: Anfang der 90er Jahre hatten 85 Prozent der Wohnungen nur ein oder zwei Zimmer. Die meisten Wohnungen wurden mit Kohleöfen beheizt, nur wenige hatten Bäder und Innentoiletten. Um familiengerechten Wohnraum zu schaffen, wurden bei der Sanierung, wo es möglich war, kleine Wohnungen zusammengelegt. Der Anteil von Wohnungen mit drei und mehr Zimmern konnte so von 15 auf immerhin 27 Prozent erhöht werden.
Familienfreundlicher ist das Samariterviertel auch durch die vielen neuen Spielplätze geworden, die sich wie an einer Perlenkette entlang der Schreinerstraße vom Forckenbeckplatz bis zum Schleidenplatz aneinander reihen. Die Sanierung der drei großen Schulkomplexe lahmt dagegen noch etwas. In den nächsten Jahren werden sie Schritt für Schritt weiter erneuert.
Die Zusammensetzung der Bewohnerschaft hat sich über die Jahre deutlich verändert. Die Zahl der Familien mit Kindern ist drastisch gestiegen, während der Anteil der Rentner stark gesunken ist. Erhöht hat sich auch der Anteil erwerbstätiger Bewohner. Die Haushaltseinkommen sind zwar gestiegen, liegen aber immer noch leicht unterhalb des Berliner Durchschnitts.
Im Samariterviertel gibt es vergleichsweise viele Wohnungen mit Sozialbindungen: 1300 Einheiten, etwa ein Viertel, wurden in den 90er Jahren mit öffentlichen Fördergeldern erneuert und sind daher für die Belegung mit einkommensschwachen Bewohnern vorgesehen, die dort eine reduzierte Miete zahlen.
Der Bevölkerungsmix blieb erhalten
Nur etwa jeder siebte Haushalt lebte auch schon bei Beginn der Sanierung im Samariterviertel. Das bedeutet nicht, dass alle übrigen durch die Sanierung verdrängt worden wären. Gerade in einem Gebiet mit vielen kleinen Wohnungen ist die Häufigkeit von Ein- und Auszügen ohnehin hoch. Es war ein zentrales Ziel der Sanierung, die einkommensschwächeren Mieter soweit wie möglich vor Verdrängung zu schützen. Dazu wurden Sozialplanverfahren, Mietobergrenzen, das Belegungsmanagement und Mietzuschüsse sowie die eigentümerunabhängige Mieterberatung eingesetzt. Im Samariterviertel wurde 1994 erstmals das Sozialplanverfahren nicht nur bei öffentlich geförderten Objekten angewandt, sondern bei allen Häusern im Gebiet. Diese Praxis wurde daraufhin auch in den anderen Sanierungsgebieten übernommen. Die vom Bezirk beauftragte Mieterberatungsgesellschaft ASUM schätzt, dass bei etwa zehn Prozent der Haushalte der Wegzug mit Verdrängungsprozessen begründet werden kann. Insgesamt aber habe der Sanierungsprozess „überwiegend sozialverträglich“ gestaltet werden können, lautet das Fazit von ASUM.
Im Samariterviertel hat sich ein Nebeneinander von verschiedensten Bevölkerungsgruppen erhalten: Vom Studenten in seiner Bude über die Familie in ihrer Eigentumswohnung bis hin zum Ex-Hausbesetzer. Im Gegensatz zu den meisten ehemaligen „Besetzerhochburgen“ ist die Szene rund um die Rigaer Straße jedoch noch sehr präsent. Etwa zehn – allerdings längst legalisierte – Häuser gibt es hier.
Jens Sethmann
MieterMagazin 5/08
Eine deutliche Zunahme der Bewohnerschaft verzeichnete das Friedrichshainer Samariterviertel im Laufe der Sanierung
Foto: Christian Muhrbeck
Die Sanierung in Zahlen
Das Samariterviertel wurde 1993 zum Sanierungsgebiet erklärt. Es umfasste 263 Grundstücke auf einer Fläche von 33,8 Hektar. Anfangs standen von rund 5300 Wohnungen 900 wegen Bauschäden leer. Heute sind nur noch 445 Wohnungen auf 22 Grundstücken völlig unsaniert, vor allem weil die Eigentumsverhältnisse kompliziert sind. Ende 2006 gab es 5258 Wohnungen, davon sind 365 durch Neubauten oder Dachgeschossausbauten neu entstanden. Die Bevölkerungszahl stieg von 1993 bis Ende 2006 von 6223 auf 8370 – das ist ein Anstieg um mehr als ein Drittel.
js
20.12.2015