Nach früheren Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH) aus den Jahren 2005 und 2006 war den Vermietern eine Umstellung der Beheizung während des laufenden Mietverhältnisses auf gewerbliche Wärmelieferung erschwert worden. Nun nährt der BGH mit einem Urteil zur Fernwärme erneut die Hoffnungen der Wärmelieferanten nach mietrechtlicher Vereinfachung – gegen die Interessen der Mieter. Klarheit könnte nur eine gesetzliche Grundlage schaffen, doch die ist nicht in Sicht.
In der Revision zu einem Urteil des Landgerichts Gießen hatte sich der BGH (MieterMagazin 07, 333) mit der Umstellung von einer ölbetriebenen Zentralheizung auf Fernwärme zu befassen. Diese Umstellung stellt nach Auffassung der BGH-Richter keine unzulässige einseitige Änderung des Mietvertrages dar. Die Richter begründen dies mit einer mietvertraglichen Vereinbarung über die Betriebskostenabwälzung. Im vorliegenden Streitfall war mietvertraglich die Umlage der Betriebskosten gemäß Anlage 3 zu § 27 II. Berechnungsverordnung vereinbart worden. Zum Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses sah diese Anlage 3 auch vor, dass Kosten für gewerbliche Wärmelieferung umlegbar seien.
Die Entscheidung der BGH-Richter ist nach Ansicht des Berliner Mietervereins (BMV) nicht zufriedenstellend. Allein der Bezug auf die Anlage 3 stellt weder mietrechtlich noch nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine hinreichend klare, eindeutige und verständliche Vereinbarung dar, aus der heraus der Vermieter jederzeit und in jeder Form, so diese denn durch die zum Vertragsabschluss jeweils geltende Verordnung abgedeckt ist, die Beheizungsart wechseln kann. Gleichwohl ist das Urteil natürlich bindend und der BMV muss seine Rechtsberatungspraxis auf die für Mieter ungünstige Regelung ausrichten.
Wesentlicher Eingriff in die Mietstruktur
Die Anlage 3 ist ein Katalog zur Umlage von Betriebskosten, der auch Alternativen, wie zum Beispiel bei der Beheizungsart beinhaltet. Im konkreten Fall hatte der Vermieter 17 Jahre lang selbst für die Beheizung mit Öl gesorgt. Aus dem Katalog heraus hat der Vermieter demnach eine bestimmte Beheizungsart konkretisiert. Mit der Umstellung auf gewerbliche Wärmelieferung – hier Fernwärme – werden zusätzliche Kosten beim Mieter erhoben, die grundsätzlich bereits mit der Grundmiete abgegolten waren. Es wird also ein wesentlicher Eingriff in die Mietstruktur vorgenommen.
Allein die Bezugnahme auf die Anlage 3 gibt dem Mieter „keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass er mit einer Änderung der Beheizungsart zu rechnen hat und wie für ihn die Modalitäten der Änderung aussehen“, erklärt auch Dr. Clemens Arzt, Professor für öffentliches Recht an der Berliner Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege. Dr. Arzt sieht zudem das sogenannte Transparenzgebot des BGB verletzt, wenn mit dem allgemeinen mietvertraglichen Bezug auf die Umlage der Betriebskosten der jederzeitige Wechsel der Beheizungsart ohne Zustimmung des Mieters durch den Vermieter zulässig sein soll. Der BGH hat mit seinem Urteil auch keinerlei Feststellung darüber getroffen, ob denn diese formularmäßige Vereinbarung über das Veränderungsrecht des Vermieters für den Mieter zumutbar ist.
Es verwundert, dass der Vermieter nach dieser Rechtsprechung zwar die Art der Beheizung wechseln, bei der Abrechnung jedoch nicht ohne das Einverständnis aller Mieter den verbrauchsabhängigen Anteil beispielsweise von 50 auf 70 Prozent erhöhen darf. Dies ist absurd, weil der Eingriff in die Mietstruktur bei der Veränderung der Beheizungsart weit gravierender ist. In Anbetracht dessen darf unterstellt werden, dass der Gesetzgeber mit der im BGH-Urteil dargelegten Interpretation des Veränderungsrechts von Vermietern nicht einverstanden sein dürfte.
Ob die Branche der Wärmelieferanten das Urteil des Bundesgerichtshofs zur Fernwärme als einen Freifahrtschein auch für die zustimmungslose Umstellung auf sonstige gewerbliche Wärmelieferung (Contracting) verstehen darf, sei dahingestellt. Denn weiterhin unterscheidet der BGH zwischen Nah- und Fernwärme.
Reiner Wild
MieterMagazin 5/08
Der Bundesgerichtshof erklärte für zulässig, dass ein Vermieter die Beheizung von Öl auf Fernwärme umstellte, ohne die Zustimmung der Mieter einzuholen(hier: Heizkraftwerk Mitte in Berlin)
Foto: Rolf Schulten
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Keine Einigung zwischen DMBund Vermieterverbänden
Die Bundesregierung hat mehrfach durchblicken lassen, dass sie in dieser Legislaturperiode keine Mietrechtsänderung will. Wenn zur Umstellung der Beheizung auf sonstige gewerbliche Wärmelieferung mehr Rechtssicherheit durch gesetzliche Regelung notwendig sei, dann unterstütze die Regierung dieses Unterfangen nur, wenn sich Vermieterverbände und Deutscher Mieterbund (DMB) einig seien, so heißt es in den Meseberger Beschlüssen des Kabinetts zum Klimaschutz. Zu einer gemeinsamen Initiative kam es jedoch nicht, weil die Vermieter den Altbestand nicht in die Zustimmungspflicht einbeziehen wollten.
rw
02.01.2017