Edith Anna Haase hat sich vor rund anderthalb Jahren auf Wohnungssuche begeben. Bis Februar dieses Jahres hatte sie rund 250 Objekte besichtigt, um dann endlich eine passende Wohnung zu finden.
„Als ich meine alte Wohnung verlassen musste, weil eine drastische Mieterhöhung für mich finanziell nicht mehr tragbar war, dachte ich noch, dass sich schnell etwas Ordentliches im bezahlbaren Rahmen finden ließe“, erinnert sich Edith Anna Haase. Ihre Wunschvorstellung: eine Wohnung mit zweieinhalb Zimmern für 600 Euro warm, irgendwo zwischen Westend und Karl-Marx-Allee gelegen. Die Suche nach solch einem Angebot wurde komplizierter und dauerte länger als geplant. „Dabei wurde ich mit unglaublichen Dingen konfrontiert“, berichtet die 62-Jährige. „Das gilt für den Zustand der Wohnungen wie für die menschlichen Seiten einiger Vermieter.“
Zu den menschlichen Tiefpunkten auf dieser Suche gehörte ein Vermieter, der ihr einen monatlichen Nachlass von 60 Euro anbot – wenn sie ihn denn ein- bis zweimal pro Monat bei ihr „übernachten“ ließe. In einem anderen Fall sollte Edith Anna Haase eine Wohnung von außen durch die Fenster besichtigen: Da lebe noch ein Pärchen drin, das zerstritten sei, vom Klingeln werde abgeraten. Auch der Wahrheitsgehalt so mancher Annonce erwies sich als dürftig: „Da wurde etwa ein Fahrstuhl erwähnt, den es im Haus gar nicht gab.“ Solche Irritationen blieben der beruflich als Stadtführerin tätigen Wohnungssuchenden bei den großen Wohnungsbauunternehmen zwar erspart. „Aber obwohl ich mich bei vielen gemeldet habe, war die WBM die einzige Gesellschaft, die mir überhaupt Angebote unterbreitet hat.“
Generell, so Haases Erfahrung, hätten sich die meisten Wohnungen in einem erbarmungswürdigen Zustand befunden: Jahrzehntealte Tapeten, braun gestrichene Türen und Böden, unsanierte Badezimmer. Aber auch in solchen Fällen hätten sich oft 30 bis 40 Mieter zum Besichtigungstermin eingefunden. „Die Atmosphäre war oft aggressiv, jeder hat in jedem unliebsame Konkurrenz gesehen.“ Bessere Angebote zu bezahlbaren Mieten, so Edith Anna Haases Erfahrung, habe es vor allem bei den Wohnungsgenossenschaften gegeben. Der Haken: Wartezeiten bis zu zwei Jahren.
Am Ende fand sich eine Wohnung: unsanierter Nachkriegsbau aus den 50er Jahren. Doch vor dem Einzug stand noch eine aufwändige Renovierung. Die Fototapete mit Alpenmotiv musste raus, ebenso eine Wand zwischen Bad und Toilette. Holzboden und Fliesen mussten selbst verlegt und eine neue Kücheneinrichtung gekauft werden. Edith Anna Haase: „Das ist der Preis für eine bezahlbare Wohnung.“
Lars Klaaßen
MieterMagazin 7+8/08
Das Alpenpanorama ist beseitigt:
Nach 250 Besichtigungen fand eine Wohnungssuchende endlich die passende Bleibe
Foto: Edith Anna Haase
26.01.2017