In den letzten zwölf Monaten war Andrea Wulff mehrmals am Rande eines Nervenzusammenbruchs. Drei Monate war sie ohne Wohnung und lebte in provisorischen Unterkünften aus zwei Kisten. Dabei hatte ihre Sanierungsodyssee ganz harmlos angefangen.
Im August 2007 wurde in der Kavalierstraße 25 in Pankow mit den Bauarbeiten begonnen. Die Mieter richteten sich darauf ein, für circa drei Wochen in eine Pension zu ziehen. Die Wohnungsbaugesellschaft Gesobau übernahm dafür die Kosten. Doch dann wurde im Hinterhaus ein massiver Schwammbefall entdeckt. Immer wieder verzögerte sich der angekündigte Rückzug. Erst hieß es, im Dezember 2007 könnten die Mieter wieder in ihre Wohnungen. Auf einer Mieterversammlung im Februar 2008 wurde versichert, im April sei alles fertig. Die Mieter, die sich von der Gesobau äußerst unzureichend informiert fühlen, sind mittlerweile auf eigene Faust zu Freunden oder Verwandten gezogen oder haben sich ein möbliertes Zimmer gesucht. Betroffen sind vier Mietparteien, die restlichen acht Wohnungen im Hinterhaus waren nicht vermietet.
Ende August 2008 konnte Andrea Wulff als erste Bewohnerin und auf ihren ausdrücklichen Wunsch in ihr Zuhause zurückkehren. „Die Wohnung ist sehr schön geworden, aber dieses Jahr war eine absolute Katastrophe“, sagt sie. Als Lehrerin ist Andrea Wulff auf ein Arbeitszimmer und Internetanschluss angewiesen. Immer wieder musste sie Bücher aus ihrer Wohnung holen – und stand mehrmals vor einem Schild „Betreten verboten, Einsturzgefahr!“ Ein ande-res Mal musste sie feststellen, dass ihr Keller geräumt worden war. Bis heute weiß sie nicht, was aus ihren Sachen – darunter persönliche Fotos – geworden ist. Besonders ärgerlich: Die Bauarbeiten gingen offensichtlich kaum voran, oft rührte sich lange Zeit keine Hand. „Das Schlimmste war, dass man in der Luft hing – keiner konnte mir sagen, wie lange es noch dauert“, so Andrea Wulff. Zwar hatte ihr die Gesobau ab Ende November 2007 eine Umsetzwohnung in der gleichen Straße besorgt, doch dort gab es Probleme mit dem Telefonanschluss.
Bei der Gesobau räumt man unumwunden ein, dass der „Ablauf der Modernisierung für unsere Mieter völlig inakzeptabel war und ist“, so Sprecher Matthias Gaenzer. Grund sei die sehr aufwändige Schwammsanierung, deren Ausmaß erst nach und nach deutlich wurde. Auch mit dem Verhalten des beauftragten Generalplaners ist die Gesobau unzufrieden. Man werde mit dieser Firma nicht mehr zusammenarbeiten. Für die entstandenen Schäden, etwa die Räumung von Andrea Wulffs Keller, käme man „selbstverständlich“ auf, heißt es in einer Stellungnahme gegenüber dem MieterMagazin. „Als kleinen Ausgleich werden wir für die gesamte Bauphase eine Mietminderung von 100 Prozent ansetzen und auch für die Umsetzwohnungen keine Miete berechnen“, verspricht Matthias Gaenzer.
Birgit Leiß
MieterMagazin 10/08
„Das letzte Jahr war eine absolute Katastrophe“: Andrea Wulff in ihrer wiederbezogenen Wohnung
Foto: Christian Muhrbeck
13.04.2013