Angesichts explodierender Energiepreise läuft die Diskussion über günstigere Stromtarife für einkommensschwache Haushalte auf Hochtouren. Die ideale Lösung scheint bisher aber noch nicht gefunden.
Die Zahlen sind schockierend: Seit dem Jahr 2000 sind die Strompreise in Deutschland um fast 50 Prozent gestiegen. Ein Dreipersonenhaushalt musste vor acht Jahren bei einem jährlichen Verbrauch von 3500 kWh monatlich rund 41 Euro für Strom bezahlen. Im April 2007 waren es nach Berechnungen der Verbraucherzentralen fast 61 Euro. Und seither dreht sich die Kostenspirale weiter. Besonders Haushalte mit geringem Einkommen wie Hartz-IV-Empfänger, Rentner, Studenten oder Großfamilien haben darunter zu leiden. Vor dieser Entwicklung kann die Politik nicht länger die Augen verschließen.
Anfang des Jahres forderte Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) die Energieversorgungsunternehmen auf, dauerhaft „Sozialtarife“ für einkommensschwache Haushalte einzuführen. Dieser Vorschlag stieß bei Politikern und Industrie auf geteilte Meinungen (MieterMagazin 3/08, Seite 13: „Die Stromversorger sind gespalten“). „Die Energiebranche hält es grundsätzlich nicht für die Aufgabe der Energieversorgungsunternehmen, verbilligte Gas- und Stromtarife für sozial Benachteiligte anzubieten – hier ist in erster Line der Staat gefordert“, betonte ein Sprecher des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW).
Auch Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) erteilte einem Sozialtarif für Arme kürzlich eine klare Absage. Der Staat könne Preismechanismen nicht außer Kraft setzen. Ähnlich sieht es Thorsten Kasper, Energieexperte beim Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv): „Sozialtarife sind eine Variante, aber sicher nicht die beste Lösung.“ Vielmehr müsse der Staat durch höhere Sozialleistungen die Energiekosten abfedern und stärker in energieeffiziente Techniken investieren.
Sozialtarif ein falsches Signal?
Auch der Deutsche Mieterbund steht Sozialtarifen eher skeptisch gegenüber. Von diesen gehe kein Signal zur Energieeinsparung aus. Sparsames Verhalten werde durch Sozialtarife nicht belohnt, eher im Gegenteil. „Wir fordern stattdessen, dass die Grundversorgung mit Strom zu einem preisgünstigen Tarif für den notwendigen Bedarf der privaten Haushalte angeboten wird“, so der Präsident des Deutschen Mieterbundes, Dr. Franz-Georg Rips. Dieser Grundtarif müsse deutlich unter den bisherigen Energiepreisen liegen. Bei Mehrverbräuchen könnten dann die Energieversorger auch höhere Preise als bisher fordern. Hierdurch werde sparsames Energieverhalten belohnt und gleichzeitig eine wichtige Sozialkomponente eingeführt.
Ähnlich der Vorschlag von Bundesverbraucherminister Horst Seehofer (CSU). Sein Ministerium diskutiert die Einführung eines „Stromspartarifs“ für alle Kunden. Dieses Konzept sieht vor, dass jeder Haushalt eine bestimmte Menge an Strom zu einem günstigen Basistarif geliefert bekommt. Dieser sei unter anderem abhängig von der Zahl der Personen im Haushalt. Wer mehr als die Grundmenge verbraucht, zahlt für den darüber liegenden Bedarf einen höheren Preis. Je höher der Stromverbrauch, desto teurer die einzelne Kilowattstunde. Geplant ist, dass die Konzerne einen Stromspartarif anbieten müssen, die Kunden dann aber wählen können, ob nach der alten oder der neuen Variante abgerechnet wird.
Zustimmung erntet Seehofer von der SPD. In der FDP regt sich dagegen massiver Widerstand. „Wenn du arm bist, musst du bei dieser Regelung mit der staatlich vorgeschriebenen Strommenge auskommen, weil jede extra Kilowattstunde saftig teuer wird“, sagte FDP-Generalsekretär Dirk Niebel.
Studien darüber, wie hoch der Stromverbrauch der einzelnen Gesellschaftsschichten ist, gibt es bislang nicht. Es ist also nicht gesagt, dass einkommensschwache Haushalte durch einen Stromspartarif tatsächlich entlastet würden.
Sina Tschacher
MieterMagazin 10/08
Wer Strom spart, könnte durch günstigere Tarife belohnt werden
Foto: Christian Muhrbeck
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Beratung zum Stromsparen
Die beste Art, Geld zu sparen, lautet bislang immer noch: möglichst sparsam mit Strom umgehen. Wichtige Tipps dazu gibt es zum Beispiel von den Verbraucherzentralen. Die Beratung kostet fünf Euro. Im Einzelfall können Detailfragen bei einem Ortstermin in der Wohnung des Verbrauchers geklärt werden. Weitere Informationen gibt es im Internet unter
www.verbraucher zentrale-
energieberatung.de
oder unter der bundesweiten
Servicenummer: 09001 363 74 43
(14 Cent pro Minute aus dem deutschen Festnetz)
tsc
09.07.2013