Schornsteinfeger waren im Mittelalter privilegiert, sie gehörten quasi zum Hofstaat und durften im Unterschied zu anderen Handwerkern Zylinder tragen. Das hierzulande seit Jahrhunderten bestehende Schornsteinfegermonopol ist weltweit einzigartig. Es dient allerdings nicht mehr primär der Sicherheit des Bürgers, sondern vor allem der Einkommenssicherung der Schornsteinfeger.
Deutsche Schornsteinfeger leben in einer kleinen, heilen Welt, in der alles geregelt und gesichert ist: der Arbeitsplatz, das Einkommen, die Altersversorgung, die Anzahl der Kunden in den bundesweit circa 8000 Kehrbezirken. Aufkommen müssen für diese Privilegien die Kunden und der Steuerzahler. Die Kosten der Schornsteinreinigung sind laut Betriebskostenspiegel im Durchschnitt so hoch wie die Kosten der Straßenreinigung. Preisfrage: Wer kommt öfter? Ein freier Markt für Schornsteinfegerleistungen würde die Betriebskosten für den Mieter deutlich senken, da sind sich Experten einig. „Der Markt und nicht das Monopol schützt den Verbraucher“, wusste bereits der US-amerikanische Wirtschaftswissenschaftler Milton Friedman.
Bereits seit Jahren regt sich Widerstand gegen das Monopol. Der Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW) verlangte im Juli 2005 die Aufhebung des antiquierten Schornsteinfegergesetzes. Am 18. Oktober 2006 forderte die Europäische Kommission Deutschland auf, das Gesetz so zu ändern, dass es mit den Bestimmungen des EG-Vertrages zur Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit vereinbar ist. Im November 2006 brachte die FDP-Fraktion des Deutschen Bundestages einen Antrag zur Änderung des Gesetzes ein. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie übermittelte inzwischen der EU-Kommission Eckpunkte zur Reform des Gesetzes, um ein Vertragsverletzungsverfahren abzuwenden. Wie derzeit bei vielen Reformvorschlägen wird darin krampfhaft nach Kompromissen gesucht, die die EU-Anforderungen und die Interessen der Schornsteinfeger unter einen Hut, den schwarzen Zylinder nämlich, bringen sollen. Arbeitsfelder, die keine Kontrollaufgaben beinhalten, sollen dem Wettbewerb geöffnet werden. Zu den hoheitlichen Aufgaben, die weiterhin dem Schornsteinfeger vorbehalten bleiben sollen, gehören dann nur noch die Kontrolle der den Eigentümern obliegenden Pflichten, die Feststellung der Betriebssicherheit einer Heizungsanlage sowie deren regelmäßige Überprüfung. Die Reform soll zum 1. Januar 2008 eingeführt werden.
Die Schornsteinfegerinnungen sind dagegen. Sie sind nach wie vor der Meinung, dass ihr Berufsstand im häuslichen und gewerblichen Bereich staatsentlastende Arbeiten ausführt, die nicht dem Markt und dem Wettbewerb überlassen werden dürfen.
Der Fachhandwerker kann es genauso gut
Vom GdW dagegen wird die Reform als nicht ausreichend bezeichnet. Statistiken über Mängel an Heizungs- und Lüftungsanlagen und Abgasmessungen zeigen, dass die Qualität der Anlagen in den letzten Jahren beträchtlich verbessert wurde. Moderne Heizungsanlagen sind wartungsfreundlich, umweltverträglich und zuverlässig. Die Überprüfungszeiträume können deshalb verlängert und damit Kosten gespart werden, ohne dass die Unfallhäufigkeit steigt. Wartungsarbeiten, Kontrollmessungen und Reinigungsarbeiten können Fachhandwerker übernehmen.
Natürlich sollen die Schornsteinfeger nicht abgeschafft werden, aber die Liberalisierung des deutschen Schornsteinfegerwesens ist dringend notwendig – im Interesse der Mieter. Michael Roggenbrodt, Geschäftsführer beim Berliner Mieterverein: „Dass Schornsteinfegern staatliches Hoheitshandeln zugebilligt wird, ist ein Relikt aus der Zeit, als die Städte noch durch Feuersbrünste gefährdet waren.“
Rainer Bratfisch
MieterMagazin 4/07
Mehr Markt über den Dächern ist auch gut fürs Mieterportemonnaie
Foto: Maik Jespersen
Weitere Informationen:
Schornsteinfeger-Innung in Berlin,
Westfälische Straße 87, 10709 Berlin,
Tel. 86 09 82-0,
info@schornsteinfeger-berlin.de
www.schornsteinfeger-berlin.de
Mehr Rechte als die Polizei
Auch unter Datenschutzaspekten ist das derzeitige Schornsteinfegergesetz bedenklich: Per Gesetz haben Schornsteinfeger Zutritt zu allen Räumen eines Hauses, in denen sie eine Feuerstelle vermuten. Wird einem Schornsteinfeger der Zutritt zur Wohnung verwehrt, kann er sich in Begleitung von Polizei und Schlüsseldienst zwangsweise Zugang zur Wohnung verschaffen, sogar ohne richterlichen Beschluss. Das darf nicht einmal die Polizei.
rb
07.01.2019