Die Auswirkungen der Wohnungsprivatisierung würden sich in einem für die Wohnungswirtschaft üblichen Maß bewegen, so die Behauptung einer Studie des Instituts für Stadtforschung im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Der Berliner Mieterverein (BMV) widerspricht. Anders als früher die städtischen Eigentümer schöpfen die Finanzinvestoren die gesetzlichen Spielräume für Mieterhöhungen in Berlin aus – häufig bis zum letzten Cent, so der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des BMV, Reiner Wild.
Aktuellster Beleg für eine neue Bewirtschaftungsstrategie nach der Privatisierung ist ein Vortragsskript des Gehag-Chefs Michael Zahn. Mit dem Verkauf an Oaktree Capital hat eine neue Investitionsstrategie Einzug gehalten. Im Vordergrund stehen nun „mieteninduzierende Maßnahmen“, dann „vertriebsfördernde Maßnahmen“ und erst dann folgen Instandsetzung und Instandhaltung. Bei den Altbaubeständen vermutet der neue Eigentümer erhebliches Mieterhöhungspotenzial.
Das sogenannte Asset-Management sieht strategisch ausgerichtete Investitionen und die Aufwertung der Ausstattung bei Mieterwechsel mit Mietsteigerungseffekten vor. Die Gehag-Mieter in der Argentinischen Allee haben diese Strategie durch eine unsinnige Heizanlagenumstellung bereits zu spüren bekommen.
Ergebnis dieser Vorgehensweise wird auch eine Veränderung der Mieterstruktur sein, so Gehag-Chef Michael Zahn. Im Klartext bedeute diese Strategie nichts anderes als Mietervertreibung, kommentiert Reiner Wild vom BMV. Trotz des Verkaufs von 2000 Wohnungen in der Zeit von 1998, dem Jahr der Privatisierung, bis heute, konnte die Gehag 2,5 Millionen Euro mehr Miete pro Jahr einnehmen. Der durchschnittliche Quadratmetermietzins stieg um 31 Prozent von 3,63 auf 4,74 Euro im Monat. In zahlreichen Siedlungen wurden sogar noch höhere Mietsteigerungen realisiert (siehe Kasten).
Die Mietpreistreibereien der Finanzinvestoren werden sich im nächsten Mietspiegel, der im Sommer erscheint, wiederfinden, vermutet Reiner Wild, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des BMV. Damit aber werden sie auch den Mieterhöhungsspielraum für alle anderen Vermieter erhöhen.
Auch andere der jetzt am Berliner Wohnungsmarkt engagierten Fondsgesellschaften haben mächtig an der Mietpreisschraube gedreht. Am Dahlemer Weg in Zehlendorf versandte die von dem Investor Cerberus aufgekaufte GSW eine 20-prozentige Mietsteigerungsforderung. Die GSW hat die Wohnanlage inzwischen an eine Gehag-Tochter verkauft. Die Mieter befürchten nun die nächste Dreijahresmieterhöhungsstaffel. Auch in der Berliner Straße und der Mörchinger Straße wurden im Oktober 2005 und im Oktober 2006 die Mieten erhöht. Die Gagfah erwirkte Mieterhöhungen im September 2005 und im Dezember 2006.
Gefährliche Dynamik
Der Wohnungshandel hat eine gefährliche Dynamik entwickelt. Die Anleger erwarten eine erhebliche Verzinsung ihres eingesetzten Kapitals. Und da man sie nicht verprellen will, hat beispielsweise die Gagfah einen Gewinn von 177,2 Millionen Euro im ersten Börsenjahr ausgewiesen. Auch die Gehag will sich börsenfein machen. Da muss die Geschäftsführung schon mal gute Nachrichten für potenzielle Anleger streuen.
Der vorläufige Bericht über den Berliner Grundstücksmarkt 2006, vorgelegt vom Gutachterausschuss für Grundstückswerte in Berlin, dokumentiert einen weiterhin regen Handel mit Wohnungen. Die Zahl der Kaufverträge für bebaute Grundstücke stieg von 2005 auf 2006 um 12 Prozent, der Geldumsatz bei diesen Verträgen um 74 Prozent. Die Paketverkäufe erzielten im Jahr 2006 ein Volumen von fast einer Milliarde Euro. Auch die neuen Käufer werden alsbald eine lohnende Verzinsung des eingesetzten Kapitals sehen wollen.
mm
MieterMagazin 5/07
Die GSW war kaum verkauft, da drehte der Investor schon an der Mietenschraube
Foto: Kerstin Zillmer
BMVBS: Veränderung der Anbieterstruktur im deutschen Wohnungsmarkt und wohnungspolitische Implikationen. Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung Forschungen
Heft 124, Bonn 2007
17.07.2013