Im Nikolaiviertel sollen die Mieten drastisch steigen. Dass ausgerechnet eine städtische Wohnungsbaugesellschaft sich dabei nicht an den Mietspiegel hält, sorgt für einigen Wirbel.
Ungeachtet aller Proteste will die Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM) an ihren Mieterhöhungen festhalten. Für 200 der insgesamt 800 Wohnungen im Nikolaiviertel verlangte sie zum 1. Mai höhere Mieten. Darunter sind auch unsanierte Wohnungen mit einfachstem Standard, etwa ungefliesten Bädern oder Pappwänden zwischen Bad und Küche. 4,30 Euro pro Quadratmeter zahlt eine Mieterin beispielsweise, das entspricht fast exakt dem Mietspiegelmittelwert von 4,28. Trotzdem soll nun die Miete auf 5 Euro angehoben werden. Die WBM beruft sich dabei auf ein Privatgutachten, wonach die besonders zentrale, exklusive Lage des Nikolaiviertels vom Berliner Mietspiegel gar nicht erfasst ist. Demnach wären sogar Mieten bis zu 7,30 Euro angemessen – sie können nur deshalb nicht verlangt werden, weil mietrechtlich eine Kappungsgrenze von 20 Prozent innerhalb von drei Jahren gilt.
Der Berliner Mieterverein (BMV) hatte den Mietern geraten, dem Mieterhöhungsverlangen nicht zuzustimmen. „Es gibt keinen Grund dafür, dass die WBM den qualifizierten Mietspiegel ignoriert und stattdessen auf ein Gutachten verweist“, so BMV-Hauptgeschäftsführer Hartmann Vetter. Er forderte den Senat als Eigentümer auf, unverzüglich die WBM entsprechend anzuweisen.
Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) will das Vorgehen der WBM nicht dulden. Sie hat angekündigt, die landeseigenen Unternehmen künftig auf den Mietspiegel als Begründungsinstrument zu verpflichten. Wie viele Mieter aus dem Nikolaiviertel ihre Zustimmung verweigert haben, will man bei der WBM nicht sagen. Mehrere Mieter berichten, dass ihnen mit Klage gedroht wird, wenn sie nicht zustimmen. Bleibt abzuwarten, ob die WBM vom Senat zurückgepfiffen wird. Eine Aufsichtsratssitzung zum Thema fand erst nach Redaktionsschluss statt.
Birgit Leiß
MieterMagazin 6/07
Fünf Euro für Pappwände und ungeflieste Bäder im Nikolaiviertel:
Wann wird die WBM zurückgepfiffen?
Foto: Christian Muhrbeck
15.04.2013