Der Landesrechnungshof hat die Berliner Regelungen zur Übernahme der Wohnkosten bei Hartz-IV-Empfängern scharf kritisiert. Die Richtlinien seien rechtswidrig, zudem würde die großzügige Oberwertregel auch noch mangelhaft umgesetzt.
Im Jahre 2006 mussten statt der eingeplanten 1,1 Milliarden Euro am Ende 1,4 Milliarden für die Unterkunftskosten von Berliner Arbeitslosengeld-(ALG)-II-Empfängern ausgegeben werden. Schuld daran, so der Landesrechnungshof in seinem Jahresbericht 2007, seien die geltenden Ausführungsvorschriften („AV Wohnen“). Beanstandet werden nicht nur die zahlreichen Ausnahmeregelungen, sondern auch, dass die Größe der Wohnung – anders als bundesweit üblich – keine Rolle spiele. Weil die Jobcenter zudem vor jeder Umzugsaufforderung prüfen müssen, ob dies wirtschaftlich überhaupt sinnvoll ist, können viele Arbeitslose trotz Überschreitung der Kostengrenzen wohnen bleiben. Diese Grenzen seien ohnehin so hoch angesetzt, dass damit 80 Prozent der Mieten des Berliner Wohnungsmarkts abgedeckt würden, heißt es im Bericht.
Dazu kommen nach Einschätzung des Rechnungshofs diverse Mängel bei der Umsetzung in den Jobcentern. So würden Nebenkostenabrechnungen nicht überprüft und die Rückzahlung von Kautions- und Mietschuldendarlehen nicht kontrolliert. Insgesamt entstehe dem Landeshaushalt ein Schaden in zweistelliger Millionenhöhe.
Die Berliner Regierungskoalition hat die Kritik als ungerechtfertigt zurückgewiesen. Änderungen seien nicht vorgesehen. „Die Vermeidung von Zwangsumzügen ist politisch gewollt, wir wollen Langzeitarbeitlose nicht in Billigwohngegenden abdrängen“, sagte Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner in einer Stellungnahme. Arbeitslose sollten sich um neue Jobs, nicht um Umzüge kümmern müssen.
Rätselhaft sind indessen die Ergebnisse einer Stichprobe des Landesrechnungshofes: Von 277 überprüften sogenannten Bedarfsgemeinschaften überschritten 40 Prozent die festgelegten Mietobergrenzen, darunter in einigen Fällen um 500 bis 1000 Euro. Das würde bedeuten, dass die Jobcenter selbst extreme Überschreitungen tolerieren. Zudem stehen die – allerdings nicht repräsentativen Zahlen – in krassem Missverhältnis zu den vom Senat angegebenen Fallzahlen.
Birgit Leiß
MieterMagazin 7+8/07
Unter Beschuss des Rechnungshofs:
Berlins Jobcenter
Foto: Rolf Schulten
16.04.2013