In der Mieterstadt Berlin ist die Nachfrage nach Wohneigentum gering, unter anderem aufgrund moderater Mieten, doch auch infolge niedriger Einkommen. Mit dem Angebot, die eigenen vier Wände durch langfristige „Mietkauf“-Zahlungen zu erwerben, versuchen Immobilienunternehmen Kunden mit kleinem Geldbeutel zu locken. Doch der „Mietkauf“ kostet in der Regel mehr als jede andere Finanzierung.
Vom ruhigen Haus im Grünen bis zur schicken Stadtwohnung wird Wohneigentum als erstrebenswert gepriesen. Nicht nur die persönlichen Wohnträume sollen durch Immobilienerwerb erfüllt, sondern auch die Altersvorsorge damit betrieben werden. Die Berliner scheint dies bislang jedoch nicht sonderlich zu beeindrucken: Über 85 Prozent leben in einer Mietwohnung. Für Immobilienunternehmen stellt sich daher die Frage, wie diese große Mehrheit als Käufer gewonnen werden kann. Ein Modell, mit dem vor allem Haushalte gewonnen werden sollen, die einen kleinen Geldbeutel haben, ist der sogenannte „Mietkauf“.
Die offerierten Mietkaufmodelle sind in der Praxis unterschiedlich konzipiert, folgen in der Regel aber folgendem Grundmuster: Erst wohnen, dann zahlen. Nach diesem Prinzip zieht der Interessent schon mal als Mieter in die Immobilie ein, muss aber erst in der Zukunft die Kaufsumme aufbringen. Er muss sich verpflichten, die bewohnten vier Wände innerhalb einer bestimmten Zeit, etwa innerhalb von zehn oder 20 Jahren, zu erwerben. Auf den Kaufbetrag wird die Miete dann angerechnet. Makler, Bauträger und Genossenschaften machen solche Angebote meist in Ballungszentren. Umworben werden in erster Linie junge Familien ohne Eigenkapital, Selbstständige – und all jene, die von einer Bank keinen Kredit bekommen.
„Maßgeschneiderter Markt“
Berlin erscheint da wie ein maßgeschneiderter Markt für Anbieter von Mietkaufprojekten: Laut Wohnungsmarktbericht 2005 liegt das Durchschnittseinkommen der Berliner Haushalte gerade mal bei 87 Prozent des Bundesdurchschnitts. Der Einkommensabstand der hiesigen Haushalte im Vergleich zu anderen deutschen Großstädten beträgt 300 bis 500 Euro. Im Vergleich mit anderen Großstädten sind die Mieten zwar geringer, die Belastung für die Berliner aufgrund des niedrigeren Einkommens aber vergleichbar. Die Konsequenz auf dem Immobilienmarkt ist wiederum: Durch Verkauf wird mehr verdient als durch Vermietung – und Mietern, die knapp bei Kasse sind, wird deshalb ein Mietkaufangebot offeriert.
Von einem solchen Fall kann Peter Dirk berichten. Der Baureferent der Verbraucherzentrale Berlin hat im vergangenen Jahr einen Kunden beraten, dem ein Mietkaufangebot unterbreitet worden war. Er sollte seine Wohnung via Mietkauf erwerben, nachdem die Immobilie den Besitzer gewechselt hatte. Neue Eigentümerin des Wohnhauses – und zugleich Verkäuferin – war eine bundesweit agierende Wohnungsbaugenossenschaft. Sie wirbt im Internet für den Immobilienkauf in der Hauptstadt: „Sehr hohe Renditen versprechen sich internationale Investoren vom Hauskauf in Berlin.“ Dass sich aber ausgerechnet ein Mietkauf rechnet, zweifelt Dirk stark an: „Die Finanzierung durch Mietkauf ist nicht billiger als ein klassisch finanzierter Eigentumserwerb“, sagt der Verbraucherschützer. Die Belastung sei gerade in den Anfangsjahren überdurchschnittlich. Aus diesem Grund ist Vorsicht geboten.
Während die Miete regelmäßig bezahlt wird, muss auch noch Geld für den späteren Erwerb angespart werden. Haushalte mit engem finanziellen Spielraum schaffen dies oft nicht, denn das ist eine echte Doppelbelastung. Da kommen schnell 1500 bis 2000 Euro Belastung im Monat zusammen. Das liegt auch daran, dass die beim Mietkauf verlangte Miete in der Regel deutlich höher als die sonst übliche ist. „Was teuer bezahlt wird, ist aber kein Luxusapartment“, warnt Brigitta Mehring von der Rechtschutzversicherung Arag. „Oft werden Objekte feilgeboten, die sich als Ladenhüter erwiesen haben.“ Und: Wer bisher kein Eigenkapital ansparen konnte, dürfte auch künftig Probleme damit haben. Fazit: Ohne vorherige Beratung mit neutralen Experten sollte auf keinen Fall etwas unterschrieben werden.
Das rät auch die Stiftung Warentest. In ihrem Magazin „Finanztest“ hat sie das Finanzierungsmodell der erwähnten Genossenschaft unter die Lupe genommen. Und das sieht so aus: Jeder Kunde muss zunächst Genosse werden. Anschließend verspricht die Genossenschaft, ihm seine Wunschimmobilie zu bauen oder zu kaufen, und der Genosse zieht nach einer gewissen Frist als Mieter dort ein. 25 Jahre hat er nun Zeit, um die Immobilie abzubezahlen. Möchte der Kunde raus aus dem Vertrag, hat er eine Kündigungsfrist von drei Monaten. Er wird dabei wohl Geld verlieren, doch er steht immerhin anschließend ohne Schulden da. Allerdings, so Jörg Sahr, Baufinanzierungsexperte der Stiftung Warentest, „ist der Mietkauf teurer als eine Vollfinanzierung über einen Bankkredit.“
Finanztest hat den Mietkauf mit einer Bankfinanzierung für eine Immobilie im Wert von 160.000 Euro verglichen: Bei gleichen Zahlungen wie bei einer Vollfinanzierung über die Bank hat der Mietkäufer nach 25 Jahren 28480 Euro mehr bezahlt. Außerdem hat er beim Eintritt in die Genossenschaft eine Abschlussgebühr von 2240 Euro entrichtet.
Genossen ohne Ende?
Die Stiftung Warentest hat einen weiteren Knackpunkt entdeckt: Damit alle Genossen nach der Wartezeit Mieter werden können, braucht es Heerscharen an neuen Mitgliedern. Bis 2012 möchte die Genossenschaft rund 46.000 Genossen werben. Damit würde sie innerhalb von sieben Jahren zu einer der mitgliedsstärksten Genossenschaften Deutschlands aufsteigen. Andere Genossenschaften haben dafür Jahrzehnte gebraucht.
Fazit der Experten der Stiftung Warentest: Der Einsatz beim Mietkauf ist zwar überschaubar, da es keine Nachschusspflicht gibt. Der Kunde riskiere aber, dass er seine Genossenschaftseinlage nicht oder nicht in voller Höhe zurückerhält. „Ob die Genossenschaft ihre Mitglieder in die Wunschimmobilie bringt, gleicht derzeit einer Wette.“
Lars Klaaßen
Wunsch und Wirklichkeit sind zweierlei
Für immer mehr Menschen wird das Eigenheim zur finanziellen Falle: „Seit drei Jahren hat sich die Zahl der Zwangsversteigerungen mit jeweils mehr als 92.000 Verfahren jährlich auf einem erschreckend hohen Niveau eingependelt“, berichten Harald Gerhards und Helmut Keller in ihrem Buch „Die Zwangsversteigerung“, das sich diesem Thema widmet. Einfamilienhäuser und Eigentumswohnungen bilden mit 63,6 Prozent den Großteil der aktuellen Fälle, berichten die Autoren aus langjähriger Tätigkeit im Bankgeschäft. Klassische Fehler bei der finanziellen Planung: Das Einkommen wird zu optimistisch veranlagt, die Gesamtkosten unterschätzt, die Tilgungshöhe falsch bemessen.Wenn Wunsch und Wirklichkeit sich nicht decken, liegt das in den meisten Fällen an unvorhergesehenen Entwicklungen: „Hauptursachen“, so die Autoren, „sind sicherlich die ungünstige Arbeitsmarktsituation, die daraus resultierende Lang- und Dauerarbeitslosigkeit und eine gegenüber den Annahmen bei der Ursprungsfinanzierung veränderte Faktenlage.“ Es muss nicht einmal das berüchtigte Hartz-IV-Szenario sein – oft reicht es, wenn die Einkünfte stagnieren. Außerdem drücken die stark steigenden Energiekosten auf das Budget. Eine weitere traurige Beobachtung der Autoren: „Weiter zugenommen hat auch die Zahl der Zwangsversteigerungen, die aus Ehescheidungen resultieren.“
lk
MieterMagazin 7+8/07
„Vorsicht vor dem Mietkauf“, warnt Verbraucherschützer Peter Dirk
alle Fotos: Christian Muhrbeck
Der Traum von den eigenen vier Wänden macht gelegentlich blind vor den Finanzierungsrisiken
Eine Rechtsschutzexpertin warnt: „Oft sind Ladenhüter im Angebot.“
16.07.2013