Der Berliner Mietspiegel 2007 weist in der weit überwiegenden Zahl seiner Felder zum Teil deutliche Steigerungen aus. Im Durchschnitt liegen die Miethöhen um 5,8 Prozent über den Mittelwerten des Vorgängermietspiegels 2005, in der Spitze sogar um 23 Prozent höher. Die aufgrund von mehr als 100.000 langfristig leer stehender Wohnungen vermutete Marktentspannung schlägt auf die Mietpreisentwicklung nur bei den jüngsten Neubauwohnungen durch. Der Berliner Mietspiegel 2007 ist das Abbild der im Oktober 2006 gezahlten Mieten freifinanzierter Wohnungen in der Stadt. Er ist aber auch das Ergebnis politischer Stellschrauben, mit denen der Senat gemeinsam mit den Vermietern die Miethöhen durch zusätzliche Erhöhungsspielräume nach oben getrieben hat und weiter nach oben treibt.
Knapp 8000 mittels Mieter- und Vermieterbefragung neu erhobene Datensätze sind in die Mietspiegeltabelle eingeflossen, etwa 400 Mietwerte waren so extrem, dass sie unberücksichtigt blieben. Im Mietspiegel 2007 wird die ortsübliche Vergleichsmiete freifinanzierter Wohnungen für den betreffenden Wohnungsbestand nach Größe, Wohnlage, Baualter und Ausstattung wiedergegeben. Der Mietspiegel erfüllt grundsätzlich drei Funktionen:
- Er dient den Vermietern als Begründungsmittel bei Mieterhöhungen.
- Er dient den Mietern als Kontroll- und Begrenzungsmittel bei (überzogenen) Mietforderungen.
- Er hilft sogenannte Wuchermieten zu verhindern. Allerdings ist derzeit diese Anwendung im Rahmen des Wirtschaftsstrafgesetzes in Berlin praktisch ausgeschlossen.
Wenn Mieter den Mietspiegel richtig anwenden, können sie abschätzen, ob oder bis zu welchem Wert sie der Mieterhöhung des Vermieters zustimmen müssen. Sie können davon ausgehen, dass auch in einem gerichtlichen Verfahren der Mietspiegel das „Maß aller Dinge“ ist und müssen nicht befürchten, dass eine über ein Sachverständigengutachten – zum Beispiel mittels Vergleichswohnungen – begründete hohe Miete als ortsüblich festgestellt wird.
Die Mittelwerte in den nach Größe, Baualter, Ausstattungsstandard und Lage differenzierten Tabellenfeldern (siehe Tabelle auf Seite 16) haben sich nunmehr erheblich verändert. In mehr als 80 Prozent aller hinreichend belegten Felder werden höhere Mieten als 2005 ausgewiesen. Auch die Mietpreisspannen haben sich geändert. Vor allem die für die Mieterhöhung wichtigen Spannenoberwerte sind in 62 von 90 Feldern (70 Prozent) gestiegen. Für 25 von insgesamt 120 Mietspiegelfeldern konnten nicht genügend Mietwerte ermittelt werden: Im Jahr 2005 waren es nur 19 Leerfelder. Bei etwa gleicher Anzahl von Sternchenfeldern erhält der Mietspiegel 2007 für einige Wohnungsbestände keine Relevanz mehr, denn für Leerfelder sind die Vermieter auf andere Begründungen der Mieterhöhung verwiesen, und den Mietern steht der Mietspiegel als Kontrollinstrument damit nicht zur Verfügung. Auch die Höhe der Zu- und Abschläge durch Sondermerkmale hat sich geändert. Zudem gibt es einen weiteren Abschlag von der aus der Tabelle ermittelten ortsüblichen Vergleichsmiete von 0,11 Euro pro Quadratmeter monatlich, wenn ein Bad mit WC kein Fenster hat. Auch die Wohnlageneinstufung hat sich vielfach geändert. Insgesamt wurden 2,7 Prozent der Berliner Adressen neu klassifiziert. Die Umstufungen in eine bessere Lage waren dabei vor allem eine Folge von umfassenden Modernisierungen.
Im Vergleich zum Mietspiegel 2005 sind die Mieten um fast sechs Prozent gestiegen. In den sechs stärksten Baujahrgangsklassen, die 85 Prozent des gesamten Wohnungsbestands repräsentieren, ergibt sich sogar eine Steigerung von 6,38 Prozent. Die durchschnittliche Nettokaltmiete aller freifinanzierten Wohnungen liegt nun bei 4,75 Euro pro Quadratmeter und Monat und damit um 0,26 Euro über dem Durchschnittswert von 2005. In mehr als 75 Prozent aller ausgewiesenen Mietspiegelfelder stieg der Mittelwert an, in 22 Prozent der Felder um mehr als 10 Prozent und in 25 Prozent der Felder zwischen 5 und 10 Prozent. In 36 von 95 Feldern liegt der Mittelwert um mehr als 7 Prozent über dem Vergleichswert von 2005. In den Baujahrgängen 1919 bis 1964 sind durchweg Erhöhungen der Mittelwerte zu verzeichnen – bis zu 0,80 Euro pro Quadratmeter monatlich. Extrem hoch ist der Anstieg in den letzten beiden Jahren für die Baujahre 1956 bis 1964 mit durchschnittlich 9,35 Prozent und für die voll ausgestatteten Wohnungen der Jahrgänge 1919 bis 1949 mit einer durchschnittlichen Steigerung von 9,28 Prozent. Allerdings ist die absolute Miete für diese Baujahrgänge mit 4,68 Euro pro Quadratmeter und Monat (1956 bis 1964) und 4,58 Euro pro Quadratmeter und Monat (1919 bis 1949) weiterhin niedriger als die Gesamtberliner Durchschnittsmiete.
Überdurchschnittlich ist der Anstieg auch in den Plattenbauten der Jahre 1973 bis 1990 und bei den unmittelbaren Nachkriegsbauten. Ein überdurchschnittlicher Anstieg der Mieten stellt sich auch bei kleinen Wohnungen heraus (siehe Kasten). Niedrigere Mietwerte wurden nur bei 21 Prozent aller Mietspiegelmittelwerte ermittelt, vorrangig wieder bei den Neubauwohnungen. Die sehr hohen Mieten des Neubaus sind offenbar auf dem Berliner Wohnungsmarkt nur schwer durchzusetzen.
Die deutlich über dem allgemeinen Lebenshaltungskostenindex liegenden Mietsteigerungen sind nicht nur das Ergebnis des verstärkten Handels mit Wohnungen durch „Heuschrecken“ und andere Investoren. Sie sind auch das Ergebnis einer durch den Senat mit Zustimmung der Vermieter unnötig erweiterten Spannenbreite. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung hat, wie schon bei den Mietspiegeln 2003 und 2005, gegen das Votum der Mieterverbände eine variable 4/5-Spanne festgelegt. Damit wird den Vermietern erneut ein zusätzlicher Mieterhöhungsspielraum gewährt. Die Ausweitung der Spanne auf bis zu 4/5 der Mietwerte führt im Verhältnis zur 2/3-Spanne zu zusätzlichen Mieterhöhungsmöglichkeiten von bis zu 1,02 Euro pro Quadratmeter monatlich. In knapp 70 Prozent aller Felder steigen durch die Spannenvergrößerung die Oberwerte. Dies betrifft mehr als 80 Prozent aller freifinanzierten Wohnungen (circa 900.000 Wohnungen). Für rund 20 Prozent aller Wohnungen steigt der Mieterhöhungsspielraum um mehr als 0,25 Euro pro Quadratmeter monatlich. Ganz erhebliche Auswirkungen hat die erweiterte Spanne bei Altbauten bis Baujahr 1918, weil in dieser Baualtersklasse wegen der modernisierungsbedingten Mietsteigerungen die Streuung der Mietwerte besonders groß ist. Der Mieterhöhungsspielraum wächst bei diesen Wohnungen bis zu 0,61 Euro pro Quadratmeter monatlich. Dieser zusätzliche Mieterhöhungsspielraum wird erfahrungsgemäß oft ausgenutzt, was die Werte für den nächsten Mietspiegel nach oben treibt.
Reiner Wild
MieterMagazin 9/07
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16.07.2013