Ende Oktober 2008 wird der Betrieb des Flughafens Tempelhof eingestellt. Das wurde im Zuge der Neubauplanung des Großflughafens in Schönefeld beschlossen. Seither beflügelt die Anlage in Tempelhof hochfliegende Fantasien und ungestüme Pläne. Eine Bürgerbeteiligung lotet nun aus, was künftig aus diesem Gelände werden könnte.
Über 1000 Bürger formulierten fast ebenso viele Ideen zur „Tempelhofer Freiheit“ im Rahmen eines vom Senat gestarteten Online-Dialogs, der am 17. Juli endete. Die Vorschläge fließen in diverse Experten-Workshops zu kurzfristigen Zwischen- und langfristigen Nachnutzungen von Flächen und Gebäudeteilen ein. Ideen und Ergebnisse der Experten-Workshops bilden die Grundlage für eine weitere Online-Phase, die am 6. Oktober startet.
Ab diesem Zeitpunkt können alle Interessierten Vorschläge für die kurz- und langfristige Nutzung des Tempelhofer Feldes formulieren, diskutieren und bewerten. Am Ende soll eine Rangliste der zehn am besten bewerteten Vorschläge stehen. Die Senatsverwaltung wird anschließend darlegen, wie die Ideen in den weiteren Planungen berücksichtigt werden.
Vorschläge erwünscht
Neben dem Wunsch, die Grün- und Freiflächen zu erhalten und den Berlinern für Sport, Freizeit, große Veranstaltungen, Feste, Kunst und Kultur zur Verfügung zu stellen, zeichnen sich bereits weitere Tendenzen ab: Eine Reihe von Teilnehmern plädiert dafür, den Flughafen aus symbolischen oder wirtschaftlichen Gründen weiter zu betreiben. Vorgeschlagen wird auch, die Fläche zumindest teilweise etwa mit einer Öko-Siedlung ohne Autoverkehr zu bebauen, innovatives Gewerbe anzusiedeln („Solar-City“) oder Schrebergärten beziehungsweise gemeinschaftliche Community Gardens anzulegen. Weitere Ideen sind die Zusammenlegung von Zoo und Tierpark oder die Errichtung des höchsten Hochhauses der Welt. Sofern 2020 die olympischen Spiele nach Berlin kommen, könnte hier auch das olympische Dorf entstehen. Das Gebäude könnte, teilweise auch unter Einbezug der Flächen, für ein Museum – etwa zum Verkehrsmuseum mit der Möglichkeit, mit historischen Flugzeugen wie einem Rosinenbomber zu fliegen – oder eine Gedenkstätte zur Luftbrücke genutzt werden. Auch könnte das Gelände als Campus-Universität, Bibliothek oder Sitz für eine Verwaltung (etwa das Verteidigungsministerium) dienen.
Die Mehrzahl der Teilnehmer der bisherigen Online-Befragung ist männlich (85 Prozent). Sie kommen zu 85 Prozent aus Berlin. Fast 70 Prozent der Teilnehmer geben bei der Frage nach dem Schulabschluss „Abitur“ an. Die größte Gruppe bei der Altersverteilung stellen mit 31 Prozent die 36- bis 45-Jährigen.
Lars Klaaßen
Die Mutter aller Flughäfen
450 Hektar innenstädtisches Areal und ein Gebäude, das mit einer Länge von 1,2 Kilometern und einer Bruttogeschossfläche von 300.000 Quadratmetern einst das größte Gebäude der Welt auf dem größten Flughafen der Welt war: Als die Anlage ab 1936 errichtet wurde, nutzten 200.000 Passagiere jährlich den Flughafen. Die in ihrer Grundform bis heute erhaltene Anlage war auf bis zu sechs Millionen Passagiere ausgelegt. In der Konzeption war das ein Quantensprung, was Tempelhof den Ruf einbrachte, „die Mutter aller modernen Flughäfen“ (Norman Foster) zu sein.
Als Anfang der 90er Jahre mit einem rasanten Wachstum der Hauptstadt gerechnet wurde, sollte das Flugfeld komplett bebaut werden. Um dem erwarteten Wohnungsbedarf Rechnung zu tragen, sollten dort 40.000 Wohnungen für 120.000 Bewohner entstehen. 1994 sah die „Vorzugsvariante“ des Senats bereits eine deutlich reduzierte Bebauung vor, und zwar nur noch am Rand des Geländes. Der Rest sollte begrünt werden. Ein neuer Entwurf aus dem Jahr 1999 geht in die gleiche Richtung: Ein „Park der Luftbrücke“ sah eine noch lichtere Bebauung vor.
lk
MieterMagazin 9/07
Flughafen Tempelhof: Was wird aus Gebäude und Flugfeld nach der Stilllegung?
Foto: Christian Muhrbeck
Luftbrücke-Flugzeugen auf dem Tempelhofer Feld
Foto: Landesarchiv Berlin
16.07.2013