Ein elfgeschossiges Wohnhaus sollte auf sechs Stockwerke zurückgebaut werden. Doch nachdem die Mieter ausgezogen waren, hat die Wohnungsbaugesellschaft Marzahn (WBG) den Wohnblock ganz abgerissen. Die Mieter fühlen sich hintergangen.
Im August 2004 eröffnete die zur landeseigenen Degewo-Gruppe gehörende WBG Marzahn den Mietern der Wuhlestraße 2-8, dass ihr Wohnhaus von elf auf sechs Geschosse zurückgebaut werden soll. Die Bewohner wehrten sich gegen die Rückbaupläne (das MieterMagazin berichtete in seiner Ausgabe 11/04 auf Seite 11: „Entmietung auf Vorrat“). Schließlich ließen sie sich aber von den Plänen der WBG für die sanierten Wohnungen mit geänderten Grundrissen und barrierefreien Zugängen mehr oder weniger überzeugen. Bis Ende 2005 waren fast alle Mieter ausgezogen. Viele von ihnen ließen sich für den Rückzug vormerken. Die Rückbaupläne wurden im Dezember 2005 von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung genehmigt. Dann geschah ein Jahr lang gar nichts, bis die Degewo im Januar 2007 dem Bezirk mitteilte, dass man den Block komplett abreißen werde.
Die ehemaligen Mieter wurden indessen nicht informiert, auch nicht die, die ihren Rückzugswunsch bei der WBG vermerken ließen. Die meisten von ihnen haben in direkter Nähe eine Wohnung bezogen – manche im Glauben, dies wäre eine Übergangssituation – und konnten nun live verfolgen, wie ihr Vertrauen zur WBG Platte für Platte abgetragen wurde. Michael Zarth erklärt, die Optionen seien „keine förmlichen Rückzugsvereinbarungen“. Die Mieter hätten sich ohnehin in ihren Umsetzwohnungen eingerichtet und deshalb „kein Interesse mehr am Rückzug“. Es habe sich jedenfalls keiner mehr gemeldet.
„Wir fühlen uns betrogen“, sagt hingegen Christa Junge von der Mietervertretung. „Wir haben so viel Zeit und Kraft investiert, zwei Jahre lang wurden wir hingehalten.“ Mieterin der WBG ist sie wie viele andere mittlerweile nicht mehr: Das Haus, in das sie eingezogen ist, wurde zusammen mit einem Großteil der Häuser im Cecilienviertel 2006 an einen niederländischen Investor verkauft.
Mit dem Abriss der Wuhlestraße 2-8 ist der Stadtumbau im Cecilienviertel aber noch nicht vorbei: Über 300 Wohnungen in den beiden Elfgeschossern Wuhlestraße 27-35 und Cecilienstraße 158-162 sind schon leergezogen und werden demnächst ebenfalls beseitigt. Am Ende wird jede fünfte Wohnung im Viertel verschwunden sein. „Der Wegzug so vieler Menschen in unserem Viertel kommt einem Kollaps gleich“, sagt Christa Junge. Sie nennt den Stadtumbau Ost nur noch „Stadtabriss“. Der Marzahner Stadtumbau-Alltag hat mit dem vielbeschworenen Vorzeigeprojekt „Ahrensfelder Terrassen“ wenig gemein.
Jens Sethmann
MieterMagazin 11/07
Getäuscht wurden die Mieter dieses Hauses in der Wuhlestraße 2-8
Foto: Jens Sethmann
16.04.2013