Dr. Franz-Georg Rips wurde im Mai dieses Jahres vom Deutschen Mietertag zum neuen Präsidenten des Deutschen Mieterbundes (DMB) gewählt und löste die bisherige Amtsinhaberin Anke Fuchs ab.
MieterMagazin: Nach Parteioberen und Bundeskabinettsmitgliedern hat der Deutsche Mieterbund mit Ihnen, Herr Dr. Rips, zum ersten Mal einen Präsidenten, der als ehemaliger DMB-Bundesdirektor die Bau- und Wohnungspolitik durch jahrelange Praxis von innen kennt. Hat der Deutsche Mietertag mit Ihrer Wahl ein neues Zeichen setzen wollen?
Dr. Rips: Wie viele Beispiele zeigen, ist auch im Verbandswesen eine Tendenz in Richtung fachlicher Professionalisierung an der Spitze auszumachen. Zum anderen ist es möglicherweise auch ein Signal stärkerer parteipolitischer Unabhängigkeit des Deutschen Mieterbundes, wenn eine solche Stelle nicht mehr durch einen exponierten Parteipolitiker besetzt wird.
MieterMagazin: Mit welchen Themen werden Sie sich als neuer DMB-Präsident vordringlich auseinandersetzen?
Dr. Rips: Als dringlich sehe ich das Thema „Energie und Wohnen“ an. Die Beschäftigung mit den demografischen Veränderungen in Deutschland wird eine weitere Aufgabe sein. Und auch dem Problem der zunehmenden wirtschaftlichen Spaltung der Gesellschaft in Arm und Reich müssen wir uns annehmen.
MieterMagazin: Nach dem neuen Wohngeld- und Mietenbericht der Bundesregierung ist die Mietbelastung der Haushalte von 24 Prozent 1994 auf 28 Prozent im vergangenen Jahr gestiegen. Einkommensschwache liegen sogar bei 40 Prozent. Muss der Staat bei solchen Belastungen nicht stärker eingreifen?
Dr. Rips: Ja – und zwar ohne wenn und aber. Der DMB hat nach Vorlage dieses Berichts die Forderung erhoben, das Wohngeld zu erhöhen – und zwar um mindestens 15 Prozent. Das würde eine staatliche Mehrbelastung von 150 Millionen Euro bedeuten, was bei der derzeitigen konjunkturellen Lage durchaus tragbar wäre. Neben dem finanziellen gibt es aber auch einen strukturellen Handlungsbedarf: Es darf nicht sein, dass Arbeitslosengeld-II-Bezieher eine 100-prozentige Wohnkostenerstattung bekommen und die Wohngeldbezieher, die arbeiten, aber ein geringes Arbeitseinkommen haben, nur eine Teilunterstützung erhalten.
MieterMagazin: Das Einkommen von Haushalten spielt im Mietrecht nur in wenigen Fällen eine Rolle – nämlich da, wo es so gering ist, dass die betroffenen Haushalte einen Anspruch auf staatliche Unterstützung haben. Wäre nicht insgesamt eine zielgenauere Mietpreisgestaltung sinnvoll?
Dr. Rips: Wir haben in Deutschland ein System, bei dem die Mietpreise im Wesentlichen vom Markt bestimmt werden. Das ist gewissermaßen die Gegenleistung für den von den Mieterorganisationen erstrittenen Kündigungsschutz. Dieser führt dazu, dass Vermieter höhere Mietforderungen nicht einfach mit der Drohung einer Kündigung durchsetzen können. Wenn wir anfangen, die mietrechtlichen Vorschriften an konjunkturelle und soziale Bedingungen zu koppeln, dann müssen wir damit rechnen, dass die Vermieter versuchen werden, den Kündigungsschutz aufzuweichen. Ich halte deshalb die Lösung sozialer Probleme über das Mietrecht nicht für den richtigen Weg.
MieterMagazin: Die steigende Mietenbelastung in Deutschland ist zu einem guten Teil Ergebnis der horrend wachsenden Neben-, insbesondere der Energiekosten. Der DMB sagt: Das müssen wir in den Griff kriegen. Fragt sich: wie?
Die Energiekonzerne stecken sich die Taschen voll
Dr. Rips: Mit der Energieeinsparverordnung haben wir kein wirklich wirksames Transparenzinstrument bekommen, mit dem sich der energetische Zustand von Wohnungen vergleichen lässt. Hier bedarf es Verbesserungen. Das zweite Ziel muss sein, das erfolgreiche Programm der CO2-Gebäudesanierung zu verstetigen und auch deutlich höhere Mittel dafür zur Verfügung zu haben. Drittens muss sich die Politik von der Übermacht der Energiekonzerne emanzipieren und den Mut haben, wirksame Maßnahmen einzuleiten: die Netze wirklich zu öffnen, auch beim Einkauf von Energie Wettbewerb zu schaffen und den Markt neu zu ordnen. Was im Moment abläuft, hat mit Marktwirtschaft nichts zu tun – da stecken sich die Energiekonzerne die Taschen voll.
MieterMagazin: Hohe Energiepreise provozieren eine höhere Energieeffizienz – sagen die Umweltschützer. Gibt es da beim DMB mit seiner Forderung nach niedrigeren Energiekosten einerseits, der Forderung nach mehr Klimaschutz andererseits, nicht einen Widerspruch?
Dr. Rips: Die Lösung ökologischer Probleme über den Preis halte ich nicht für den richtigen Weg. Nachhaltigkeit hat zwar immer neben dem ökologischen auch ein ökonomisches Moment, aber eben auch ein soziales.
MieterMagazin: Die energetische Sanierung von Gebäuden kommt inzwischen in Gang, doch die Kosten dafür zahlen die Mieter in Form von Modernisierungsumlagen. Der Mehraufwand steht dabei oft nicht in einem vernünftigen Verhältnis zu den eingesparten Kosten.
Dr. Rips: Wir setzen uns als Mieterbund für Umwelt- und Klimaschutz ein. Zu sagen „Bezahlen sollen das aber die anderen“ würde uns unglaubwürdig machen. Dennoch müssen wir sehr darauf achten, dass die Energieeffizienzverbesserungen möglichst warmmietenneutral ausfallen. Das trifft heute oft nicht zu. Andererseits: Was heute noch unwirtschaftlich ist, kann sich in fünf Jahren schon ganz anders darstellen. Denn die Energiepreise werden auf jeden Fall weiter steigen.
MieterMagazin: Könnte man nicht ordnungsrechtlich so verfahren, dass besonders unwirtschaftliche Energieeinsparmaßnahmen erst gar nicht zugelassen werden?
Dr. Rips: Es ist sicherlich sinnvoll, im Modernisierungsmietrecht eine klarere Bestimmung der Wirtschaftlichkeit festzuschreiben: Die sich aus der Modernisierung ergebenden Mieterhöhungen müssen Kosteneinsparungen an anderer Stelle hervorrufen. Es ist jedoch auch eine weitere Möglichkeit denkbar: So setzt sich der DMB jetzt dafür ein, dass innerhalb eines gewissen Zeitrahmens alle Wohngebäude in Deutschland einen bestimmten energetischen Standard aufweisen – beispielsweise einen Energieverbrauch von maximal 60 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr nach 2020. Erreicht ein Vermieter dieses Ziel nicht, dann soll er auch Heizkosten nur maximal bis zu diesem Wert abrechnen können. Dies wäre eine ordnungsrechtliche Maßnahme, die Vermieter zwingt, sich mit Maßnahmen der energetischen Sanierung auseinanderzusetzen.
Fiskalpolitiker lassen sich von großen Summen blenden
MieterMagazin: Thema Wohnungsverkäufe: Seit dem Jahr 1999 sind rund 1,5 Millionen Wohnungen in Deutschland verkauft worden, vorwiegend Bestände der öffentlichen Hand. Für Haushaltspolitiker sind solche Verkäufe hochattraktiv, spülen sie doch mit einem Schlag oft Milliarden von Euro in die leeren Kassen. Haben Sie ein gutes wirtschaftliches Argument, warum die klammen öffentlichen Hände an ihren Wohnungsbeständen festhalten sollen?
Dr. Rips: Haushaltspolitiker sollten ausrechnen, welche Zinseinsparungen sie erzielen, wenn sie den erzielten Erlös aus Wohnungsverkäufen vollständig zum Schuldenabbau einsetzen. Dem gegenüberstellen müssen sie, auf wie viele Einnahmen sie aufgrund der wegfallenden Dividende verzichten und welche Nachteile sie im Bereich der Wohnungsversorgung und Stadtentwicklung hinnehmen müssen. Die Partnerschaft zwischen der Stadt und ihren Unternehmen ist nämlich ein durchaus wirtschaftlich bezifferbarer Wert. Wenn man diese Faktoren alle berücksichtigt, wird sich zeigen, dass das Halten der Wohnungsunternehmen in aller Regel auch wirtschaftlich vorteilhafter ist als der Verkauf. Fiskalpolitiker lassen sich einfach zu sehr blenden von den gigantischen Verkaufssummen.
MieterMagazin: Jährlich fallen bundesweit rund 100.000 Wohnungen aus der Sozialbindung. Was heißt das für die Wohnungsversorgung der Zukunft?
Dr. Rips: Die jetzige Entwicklung würde dazu führen, dass wir in 20 Jahren keine sozial und preisrechtlich gebundenen Wohnungen mehr zur Verfügung hätten. Dem kann man aus Gründen der gesellschaftlichen Entwicklung nicht tatenlos zusehen, denn wir werden eine immer größere Spaltung der Gesellschaft haben und auch einen zunehmenden Anteil an Menschen, der auf öffentliche Unterstützung bei der Befriedigung des Grundbedürfnisses Wohnen angewiesen ist. Es führt also kein Weg daran vorbei, wieder Mittel für die soziale Wohnraumförderung zur Verfügung zu stellen und das Auslaufen der Bindungen zu verhindern.
MieterMagazin: Die DMB-Vereine haben auf dem Markt der von ihnen angebotenen Dienstleistungen, vor allem in der Rechtsberatung, Konkurrenz durch private Anbieter bekommen. Was sagen Sie einem Mitglied, warum es in einem Mieterverein besser aufgehoben ist als woanders?
Dr. Rips: Was unsere Mitglieder laut Umfragen besonders schätzen, ist das persönliche Gespräch mit unseren Beratern, deren Vertrauenswürdigkeit und ihre Kompetenz – es gibt einfach keine Besseren als uns, wenn es um das Mietrecht geht.
MieterMagazin: Wir bedanken uns für das Gespräch.
Mit DMB-Präsident Dr. Franz-Georg Rips sprachen die MieterMagazin-Redakteure Udo Hildenstab und Reiner Wild.
MieterMagazin 11/07
Erst Bundesdirektor, jetzt DMB-Präsident:
Dr. Franz-Georg Rips
Fotos: Christian Muhrbeck
Dr. Franz-Georg Rips auf dem Balkon der DMB-Zentrale in der Berliner Littenstraße
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Vom Bürgermeister zum Mieterpräsidenten
Dr. Franz-Georg Rips, DMB-Präsident seit 31. Mai dieses Jahres, ist von Hause aus Jurist, arbeitete von 1977 bis 1994 als Rechtsanwalt in Köln und war von 1992 bis 1994 Bürgermeister in Erftstadt. 1995 wurde er Direktor des Deutschen Mieterbundes. Rips ist 58 Jahre alt, verheiratet und hat zwei Kinder. In seiner Amtszeit als Bundesdirektor ist die Zentrale des Deutschen Mieterbundes von Köln nach Berlin umgezogen.
15.07.2013