Wer eine Wohnung sucht, muss so manches Objekt besichtigen, bevor er das Passende gefunden hat. Beim Besichtigungstermin sollte man sehr genau hinsehen: Bemerkt man erst später Wohnungsmängel, die erkennbar gewesen wären, hat man schlechte Karten. Denn bei offensichtlichen Mängeln gilt der Grundsatz: Angemietet wie gesehen.
Der Schnitt der Wohnung ist ideal, das Haus macht einen guten Eindruck, die Nachbarn scheinen nett, im Geiste werden die Räume schon eingerichtet. Was spricht dagegen, jetzt gleich den Mietvertrag zu unterschreiben, bevor noch jemand anderes kommt und einem die Traumwohnung vor der Nase wegschnappt? Doch ein übereilter Mietvertragsabschluss hat schon so manchen Ärger verursacht. Bei der Wohnungsbesichtigung sollte man sich einige Dinge genauer ansehen und – selbst wenn es sich um die lang gesuchte Wunschwohnung zu handeln scheint – die rosarote Brille zu Hause lassen: Wer bei der Besichtigung die völlig lose in den Angeln hängenden Fensterflügel nicht wahrnimmt und die braunen Wasserflecken an der Decke nicht sieht oder sich nicht traut, diese Mängel zu monieren, hat schlechte Karten, wenn er später die Reparatur der undichten Fenster und die Beseitigung der hässlichen Flecken verlangt.
Aufgrund von Mängeln, die der Mieter bei Vertragsabschluss hätte erkennen können, darf er nämlich die Miete nicht mindern oder Schadenersatz verlangen. Seiner Instandsetzungsverpflichtung muss der Eigentümer zwar nachkommen, aber ihn dazu zu bringen, ist schwieriger, wenn der Mieter nicht das Druckmittel der Mietminderung hat. Daher ist schon bei der Besichtigung Aufmerksamkeit gefordert. Es wird vom Mieter zwar nicht verlangt, dass er die Wohnung vor dem Einzug auf alle möglichen und unmöglichen Mängel hin gründlich untersucht, ihm wird aber die Kenntnis der Mängel unterstellt, die er auch bei geringer Sorgfalt hätte bemerken können.
Vorsicht beim Sonntagstermin
Das gilt auch für das Wohnumfeld: Wer nach dem Einzug feststellt, dass die unmittelbar am Haus vorbeifahrenden Eisenbahnen sehr laut sind, kann nicht die Miete wegen des Lärms kürzen, denn die nahe Bahntrasse hätte bei der Wohnungsbesichtigung bemerkt werden müssen. Gleiches gilt für stadtbekannte Großbaustellen in der Nähe der neu angemieteten Wohnung. Auch wenn sich bei der Anmietung im Haus eine Gaststätte befindet, kann der Mieter später nicht wegen des Kneipenlärms die Miete mindern. Wenn dann allerdings während der Mietzeit statt der Kneipe ein Nachtlokal oder eine Diskothek einzieht, ändert sich die Lage: Weil der Mieter den steigenden Lärmpegel durch die neue Nutzung beim Einzug nicht vorausahnen konnte, steht ihm das Recht zu, die Miete zu mindern.
Ärger lässt sich vermeiden, wenn man bei der Besichtigung die Wände, Decken und Böden, die Installationen, die Fenster und das Wohnumfeld aufmerksam untersucht (siehe Checkliste). Bei Sonntagsterminen sollte man sich bewusst machen, dass werktags der Umgebungslärm sehr viel lauter sein kann. Abends oder in der Dämmerung sollte man auf keinen Fall eine Wohnung besichtigen, weil man bei künstlichem Licht zu viele Mängel übersieht. Zuweilen schrauben trickreiche Makler schwache 25-Watt-Lampen ein oder nehmen die Glühbirnen ganz raus, damit man den schlechten Zustand der Wohnung nicht erkennen kann.
Nicht allein zur Wohnungsbesichtigung gehen
Äußerst wichtig ist es, nicht allein zu einer Wohnungsbesichtigung zu gehen. Vier Augen sehen nicht nur mehr als zwei, die zweite Person kann auch als Zeuge über den Zustand der Wohnung dienen. Sie kann außerdem bestätigen, welche mündlichen Zusagen der Vermieter über die Eigenschaften der Wohnung macht. Der Zeuge braucht nicht besonders ausgebildet zu sein. Wenn er sich aber auf das Handwerkliche versteht – umso besser.
Wer eine sachkundige Unterstützung sucht, kann sich auch an die vom Berliner Mieterverein empfohlenen Fachleute für die Wohnungsabnahme wenden. Die ausgebildeten Architekten helfen für 50 Euro pro Termin auch bei Wohnungsbesichtigungen. „Dafür werden wir aber eher selten in Anspruch genommen“, sagt Rüdiger Beer, einer der „Wohnungsabnehmer“. „Viele wissen gar nicht, wieviel Ärger sie sich durch uns ersparen könnten.“
Bei kleinen Fehlern verhandeln
Wenn man bei der Besichtigung Mängel entdeckt, sollte man diese ganz offen ansprechen und am besten auch fotografieren. Am besten ist es, vor Abschluss eines Mietvertrages ein schriftliches Wohnungsübergabeprotokoll zu erstellen und sich dieses vom Vermieter unterschreiben zu lassen. In einem solchen Protokoll werden alle festgestellten Mängel aufgeführt und deren fachgerechte Beseitigung vor dem Einzug vereinbart. Damit hat man sich dagegen abgesichert, dass die Wasserflecken an der Decke nur einmal übergepinselt werden, die Flecken aber nach zwei Wochen wieder durchscheinen. Bei kleineren Schönheitsfehlern wie zum Beispiel schief geklebten Tapeten kann man dem Vermieter oft einen kleinen Mieterlass abhandeln und die Mängel dann selbst beseitigen. Bei größeren Schäden wie klapprigen Fenstern oder Schimmel an den Wänden sollte man besser ganz die Finger von der Wohnung lassen.
Als Mietinteressent muss man bei der heutigen Wohnungsmarktlage nicht mehr alles nehmen, was angeboten wird. Anders als zu Zeiten der Wohnungsnot sind heute Wohnungen ohne Mängel verhältnismäßig leicht zu finden. Man sollte deshalb nicht davon absehen, die Wohnung vor den Augen des Vermieters oder Maklers auf Herz und Nieren zu prüfen. Seriöse Vermieter verstehen es, wenn der Mieter für sein Geld eine ordentliche Gegenleistung erwartet. Von einem Vermieter, der einem die Wohnung nicht geben will, weil er fürchtet, aus dem genau prüfenden Interessenten werde später ein Mieter, der ständig mit Mängelanzeigen nervt, sollte man sowieso lieber Abstand halten.
Misstrauisch sollte man auch werden, wenn der Vermieter bei der Besichtigung erzählt, dass zwar schon zehn Interessenten dagewesen seien, man die Wohnung aber bekäme, wenn man jetzt gleich den Mietvertrag unterschreibe. „Wenn es hopplahopp gehen soll – Finger weg!“, warnt Rechtsberater Klaus Kießling vom Berliner Mieterverein. Man sollte sich nicht vom Gerede des Maklers einwickeln und sich auch nicht vom Gefühl leiten lassen. Kießling: „Trauen Sie nur Ihren eigenen Augen und denen Ihres Zeugen.“
Jens Sethmann
Um nicht von Wohnungsmängeln überrascht zu werden, sollten Sie bei der Besichtigung folgende Punkte besonders beachten:
- Wände und Decken prüfen: Sind feuchte Stellen, Wasserflecken oder Schimmel zu erkennen?
- Fußboden untersuchen: Gibt es schadhafte Stellen im Bodenbelag?
- Fenster auf- und zumachen: Sind die Fensterflügel schwergängig oder undicht? Sind sonstige Schäden zu erkennen?
- Wasserhähne öffnen, Klospülung betätigen, Absperrhähne zu- und aufdrehen: Funktioniert die Wasserversorgung einwandfrei?
- An den Einbauten rütteln: Sind Waschbecken, Kloschüssel, Badewanne, Spüle, Abflüsse und so weiter fest installiert? Sind in der Emaille abgeschlagene Stellen oder Risse zu erkennen?
- Heizung aufdrehen: Wird der Heizkörper warm? Läuft die Heizung geräuschlos? (Prüfung meist nur im Winter möglich, da im Sommer Heizungsanlagen oft ganz abgeschaltet sind.)
- Steckdosen zählen: Sind pro Zimmer ausreichend Elektroanschlüsse vorhanden?
- Auf Geräusche achten: Sind die Wände hellhörig? Hört man Gespräche oder Musik aus den Nachbarwohnungen?
- Nach draußen schauen: Von wo scheint bei welcher Tageszeit die Sonne herein? Sind Lärmquellen (Hauptstraßen, Bahnlinien, Bahnhöfe, Bushaltestellen, Gewerbe, Sportplätze, Baustellen und so weiter) zu hören oder zu sehen? (Wochentag und Tageszeit bedenken!)
- Sind Geruchsbelästigungen (Industrie, Imbisse, Grillplätze et cetera) zu erwarten?
js
MieterMagazin 12/07
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