Die Dibag hat ihren Mietern Ende 2005 den Abriss ihrer Wohnhäuser am Lützowplatz 2-18 per Rundschreiben angekündigt. Von diesen Planungen sind 38 Mietparteien betroffen, die in den 1982/1983 gebauten Häusern wohnen, die Stararchitekt Mathias Ungers zur Internationalen Bauausstellung (IBA) entworfen hatte. Das Unternehmen plant, dort anschließend Neubauten zu errichten.
Die Auseinandersetzung zwischen den Mietern und dem Bezirk Mitte auf der einen und der Dibag auf der anderen Seite scheint nun in die entscheidende Runde zu gehen. Schon 2001 stellte das Unternehmen einen ersten Antrag auf Abriss. „Das Gebäude-Ensemble entspricht nicht mehr dem heutigen Standard“, argumentiert Andreas Wißmeier, Leiter der Abteilung Hausverwaltung der Dibag. Es gebe zudem Probleme mit der Statik, wovon deutlich sichtbare Risse zeugten. Sein Fazit: „Ein Neubau ist günstiger als die Sanierung.“ Die Baustadträtin des Bezirks Mitte, Dorothee Dubrau (Grüne), hatte sich gemeinsam mit den Mietern gegen die Dibag-Pläne zur Wehr gesetzt. Gegen die kürzlich erneute Ankündigung, die Wohngebäude abzureißen, haben Bezirk und Mieter jedoch wenig Handhabe.
„Ein Abrissantrag kann nicht mehr verweigert werden“, sagt Dubrau. Der Grund: Ein Teil der Wohnungen ist im Rahmen des Sozialen Wohnungsbaus entstanden und konnte nur von Personen mit Wohnberechtigungsschein bezogen werden. Damit stand der mit öffentlichen Geldern geförderte Wohnraum rechtlich unter besonderem Schutz. Doch die Bindungsfrist der Fördermittel ist ausgelaufen. Die Dibag kann als Eigentümerin somit wesentlich freier über die Häuser verfügen.
„Für uns Mieter hat die Auseinandersetzung ein Leben in großer Unsicherheit zur Folge“, sagt Claudia Kleiner, Sprecherin der Interessengemeinschaft. Wer in den Ungers-Häusern am Lützowplatz wohnt, hat einiges zu verlieren: eine große Wohnung mit 30 Quadratmeter großer Terrasse oder einem Garten oder eine Abstellmöglichkeit für das Auto mitten in der Stadt. Umsetzwohnungen in gleicher Qualität sind schwer aufzutreiben. „Und ob die Miete in einem Neubau später noch bezahlbar ist, wissen wir auch nicht“, so Kleiner. Den bedenklichen Zustand der Bausubstanz bestreitet sie nicht, aber: „Hier ist doch auch seit Jahren gar nichts mehr gemacht worden.“ 1998 hat die Dibag die Gebäude bei einer Zwangsversteigerung erstanden. Zog jemand aus, wurden die leer stehenden Wohnungen in den vergangenen Jahren nicht mehr vermietet. 48 von 86 Wohnungen sind verwaist.
Neben der Perspektive für die Mieter verhandeln Dibag, Senat und Bezirk auch stadtplanerische Fragen. Zum Lützowplatz hin möchte die Dibag ein Geschäfts- und Bürohaus errichten, die Wohngebäude sollen dahinter entstehen. Auch über Höhe und Dichte der Bebauung wird noch verhandelt.
Lars Klaaßen
MieterMagazin 1+2/06
Ungers-Häuser: Die Mieter verlieren bezahlbaren Wohnraum, Gärten und Terrassen
Foto: Rolf Schulten
01.08.2013