Zu einer ernsthaften Krise in der Regierungskoalition von SPD und Linkspartei/PDS hat das Ansinnen der SPD-Regierungsmitglieder Junge-Reyer und Sarrazin geführt, die Hälfte des Wohnungsbestandes der Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM) zu veräußern.
Als vor einigen Monaten die wirtschaftliche Schieflage des WBM-Konzerns an die Öffentlichkeit drang, reagierte der Senat schon mit der Ankündigung von Panikverkäufen. Rund 1,2 Milliarden Euro Schulden drücken den WBM-Konzern – ein Ergebnis politisch gewollter Projektträgerschaft im gewerblichen Bereich. Um die Liquidität zu erhalten, sollte nach SPD-Vorstellungen ein Drittel des Wohnungsbestandes, also 10.000 Wohnungen, veräußert werden. Damit schien offenbar der Koalitionspartner einverstanden, das Unternehmen selbst werde zwar gerupft, aber insgesamt erhalten. Zwischenzeitlich legten die entscheidenden SPD-Politiker aber nach. Die Senatsmitglieder Sarrazin und Junge-Reyer plädieren für den Verkauf von 15.000 Wohnungen, satte 50 Prozent des Bestandes. Fraktions- und Parteichef Michael Müller vermutet, dass damit das Unternehmen nicht gehalten werden könne – und spielt den Belzebub: Er will den WBM-Konzern mit seinen 30.000 Wohnungen gleich ganz verhökern, ohne allerdings schon ein Datum zu nennen.
„Unsere Vermutung vom Herbst letzten Jahres bestätigt sich“, erklärt Reiner Wild, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des BMV. „Die SPD will die WBM zerschlagen und die Wohnungen den auf der Lauer liegenden ,Private-Equity-Fonds‘ vor die Füße schmeißen.“ Der BMV verlangt einen absoluten Verkaufsstopp, bis ein Gesamtkonzept für die städtische Wohnungswirtschaft vorliegt. Damit könnten die WBM-Schulden auf breitere Schultern verteilt werden. Ein Totalverkauf der WBM hätte zur Folge, dass in Friedrichshain und Mitte überhaupt kein städtischer Wohnungsbesitz mehr zur Verfügung stünde. Das aber sei nicht zu verantworten, erklärt auch die wohnungspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Barbara Oesterheld.
Die Linkspartei wirft nun der SPD vor, sie hätte das Ausmaß der Schieflage verschwiegen und ihre Hausaufgaben nicht gemacht. In der Tat: Schon vor zwei Jahren war die Situation in der städtischen Wohnungswirtschaft nicht ohne Probleme. Teure Gutachten brachten wichtige Erkenntnisse. Doch unternommen wurde nichts. Sarrazin und Junge-Reyer haben versagt, der Ruf nach der politischen Verantwortung wird laut. „Wenn die beiden Regierungsmitglieder selbst keine Konsequenzen ziehen, muss ein Untersuchungsausschuss des Abgeordnetenhauses eingerichtet werden, um Ursachen und Verantwortlichkeiten der WBM-Krise zu ermitteln“, fordert BMV-Vize Reiner Wild.
MM
MieterMagazin 3/06
Am Rand der Pleite: Mit Gewerbeobjekten wie den Rathauspassagen in Mitte hat sich die WBM finanziell übernommen
Foto: Rolf Schulten
31.07.2013