Weil die Baubranche kriselt, boomt dort die Korruption. Hohe Summen bei Bauaufträgen verführen zu Schmiergeldzahlungen. Im öffentlichen Sektor fällt das öfter auf, doch bei privaten Projekten ist es auch nicht besser. Leidtragende sind Steuerzahler und Arbeitnehmer.
Bei großen Projekten sind große Summen im Spiel. Und wo viel Geld über den Tisch geht, wachsen die Begehrlichkeiten. Die Folge: Korruption. West-Berlin hatte sich schon in den 80er Jahren den zweifelhaften Ruf erworben, ein gigantischer Bausumpf zu sein (siehe Kasten). „Die verfilzten, skandalträchtigen Verbindungen aus dieser Ära gibt es heute in dieser Form nicht mehr“, sagt Jochen Bäumel aus dem Vorstand der deutschen Dependance von „Transparency International“, der größten internationalen Nichtregierungsorganisation im Kampf gegen Korruption.
Der 1993 in Berlin gegründete Verein arbeitet gemeinnützig in über 100 Ländern und ist politisch unabhängig. „Wir suchen“, so Bäumel, „Koalitionen mit Regierungen, Verwaltungen und Politikern, mit der Wirtschaft und mit Gruppen der Zivilgesellschaft, die eine vertrauenswürdige, transparente, werteorientierte, zivile demokratische Politikkultur vertreten“.
In den Zeiten der Teilung florierten die Schmiergeldzahlungen in West-Berlin aus zweierlei Gründen: Enorm hohe Subventionszahlungen flossen in die Stadt und diese wurden durch eine überschaubare Zahl von Entscheidungsträgern vergeben – ein ideales Klima für Korruption. „Heute“, so Bäumel, „sind die finanziellen und personellen Strukturen der Stadt mit denen anderer Metropolen vergleichbar“. Lediglich in der Masse bildet Berlin nach wie vor eine Ausnahme. In den 90er Jahren erlebte die Hauptstadt einen Bauboom sondergleichen. Das Land und der Bund waren kräftig mit von der Partie. Und gerade bei öffentlichen Bauaufträgen sorgt Veruntreuung von Staatsgeldern immer wieder für Schlagzeilen.
1998 wurde die Berliner Zentralstelle für Korruptionsbekämpfung gegründet. Im Jahr 2000 wurden rund 800 Ermittlungsverfahren in Sachen Korruption eingeleitet. 2004 waren es noch 371 und im vergangenen Jahr 421 Verfahren. „Die sinkenden Zahlen sind unter anderem der verstärkten Prävention und der Abschreckung zu verdanken“, sagt Hans Jürgen Fätkinhäuer, der die Zentralstelle seit Februar leitet.
Bauvorhaben sind heute deutlich billiger
Öffentliche Aufträge kommen die Stadt heute rund ein Drittel billiger als früher. Ein Grund dafür: Die Bezirksämter und die Senatsverwaltungen haben Innenrevisionen geschaffen. Auch ein Anrufbeantworter für anonyme Hinweise erhöht den Druck auf potenzielle Täter.
Dennoch – oder gerade deshalb – fallen immer wieder Behördenmitarbeiter auf, die Schmiergeld, Einladungen ins Restaurant oder ins Bordell erhielten, wenn sie sich bei der Vergabe von lukrativen Aufträgen für bestimmte Firmen entschieden. Ein aktueller Fall, der ins Visier der Zentralstelle gegen Korruption geriet: das Gewerbegebiet „Nüßlerstraße“. In Weißensee sollten sich neue Unternehmen ansiedeln. Dafür musste das Areal entrümpelt und erschlossen werden. Die Projektentwicklungsfirma I. hatte vom Senat den Auftrag dafür bekommen. Sie erhielt die Flächen für einen Euro. Ein anschließender Verkauf sollte die Sanierungskosten decken. Überschüsse sollte das Land behalten. Nach der Sanierung, die 3,58 Millionen Euro gekostet haben soll, verkaufte die Firma I. die Grundstücke an ein anderes Unternehmen G. – das die gleiche Adresse wie der Projektentwickler hat. In beiden Unternehmen arbeiten ehemalige Mitarbeiter der Senatsverwaltung. Der Rechnungshof beanstandete, dass die Entwicklungsaufgaben nicht öffentlich ausgeschrieben wurden. Wahrscheinlich hätten andere Firmen die Aufgabe billiger erledigt. Bei der Prüfung des Falls in Weißensee hat die Auswertung des sehr umfangreichen Aktenmaterials vor kurzem begonnen.
Auch private Baugeschäfte werden nicht immer sauber abgewickelt. Aber an solche Fälle komme man schwerer heran, so Bäumel. „Selten gibt es dort von irgendeiner Seite Interesse, das publik zu machen.“ Doch selbst wenn es im privatwirtschaftlichen Bereich oft weder Kläger noch Richter gibt, Geschädigte gibt es in allen Fällen. „Das sind in erster Linie die Arbeitnehmer in der langen Kette von Subunternehmen, die es in der Bauwirtschaft gibt“, sagt Michael Knoche, Sprecher der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU). Wenn Unternehmen die Preise bei ihren Angeboten enorm drücken und Schmiergeld an den Auftraggeber zahlen, muss das irgendwo wieder hereingeholt werden. Das, so Knoche, geschehe in erster Linie über Lohndumping. Die IG BAU befasst sich im Bereich Bau vor allem mit dem Problem der illegalen Beschäftigung. Doch genau bei diesem Thema stößt die Gewerkschaft auch auf Korruption. „Das hängt zusammen“, sagt Knoche. „In beiden Fällen geht es um Kostenreduzierung – und zwar um jeden Preis.“
„Wenn einer die Hand aufhält, muss ein anderer bereit sein, etwas zu geben“, sagt Elmar Esser, Leiter der Hauptabteilung Recht im Zentralverband Deutsches Baugewerbe. „Wo bestimmte Standards bei der Beauftragung nicht eingehalten werden, blüht die Korruption.“
Strafen verschärft
Das so genannte „Antikorruptionsgesetz“ aus dem Jahr 1997 hat zumindest für die Staatsanwaltschaften den Kampf gegen die Korruption erleichtert. Einziges Instrument war zuvor lediglich das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb. Ohne einen Geschädigten, der Klage erhob, gab es für den Staat keine Handhabe. Mittlerweile können die Staatsanwaltschaften selber aktiv werden. Zudem dürfen Finanz- und Strafbehörden ihre Informationen abgleichen. Zur Abschreckung wurden die Strafen auf Schmiergeldzahlung verschärft: Bis zu drei Jahre Haft können darauf verhängt werden, die Tat verjährt erst nach fünf Jahren.
Dem Land Berlin attestiert Bäumel, dass bei der Korruptionsbekämpfung seit Ende der 90er Jahre „große Fortschritte gemacht wurden“. So hat der Senat Ende des vergangenen Jahres ein Korruptionsregistergesetz ins Abgeordnetenhaus eingebracht, nach dem künftig Firmen, die korruptiv gehandelt haben, gelistet werden. Sie erhalten damit für eine bestimmte Zeit keine öffentlichen Aufträge mehr.
Mit besonders gutem Beispiel geht Spandau voran: Der Bezirk hat ein eigenes Modell zur Korruptionsprävention entwickelt und eingeführt. Das Konzept beruht auf einem Drei-Säulenmodell: der Berichts- und Auskunftspflicht gegenüber dem Bezirksamt und der BVV, einer Vergabeprüfung durch eine Juristin und der Entgegennahme von Hinweisen durch einen unabhängigen Rechtsanwalt. Transparency Deutschland fordert, dass auch andere Bezirke dieses Modell der Korruptionsbekämpfung übernehmen.
Lars Klaaßen
MieterMagazin 6/06
Korruption und Lohndumping hängen zusammen – und schaden auch den Beschäftigten am Bau
alle Fotos: Kerstin Zillmer
Berlins Bau-Boom der 90er Jahre sorgte auch für Schlagzeilen in Sachen Korruption
Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin hat einen Anrufbeantworter für anonyme Hinweise auf Korruptionsfälle eingerichtet. Die Telefonnummer lautet 9015-2724.
Am Anfang stand der Fall Antes
„Lieber Wolfgang“: Mit diesen freundlichen Worten nahm die Mutter der Berliner Bauskandale ihren Anfang. Bei einer Wohnungsdurchsuchung in ganz anderer Angelegenheit fand die Polizei einen handschriftlichen Brief, der folgendermaßen lautete: „Aus gegebenem Anlass muss ich Dich an unsere Abmachung erinnern. Wie Du weißt, habe ich Dir 200.000 DM bezahlt. (…) Besorge mir den versprochenen Erbbaurechtsvertrag sowie die Baugenehmigung, wie Du es versprochen hast, sonst werde ich sehr ungemütlich!“ Der Brief richtete sich an den damaligen Charlottenburger CDU-Baustadtrat Wolfgang Antes. Der Baufinanzier Kurt Franke hatte Antes für verschiedene Baugenehmigungen, Pachtverträge und die Freistellung von Bauauflagen bezahlt. 1986 wurde der Politiker dafür zu fünf Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Der Fall gilt bis heute als Prototyp für Berliner Filz und Korruption. Die Ermittlungen offenbarten Verbindungen von der Halb- und Unterwelt über die Baubranche in die Politik. Uwe Schmidt, Chef der zuständigen Sonderkommission zu den Ermittlungsergebnissen: „Wir sind auf so ziemlich alles, was das Strafgesetzbuch hergibt, gestoßen – außer der Vorbereitung eines Angriffskriegs.“
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30.07.2013