OSB-Platten sind die Edelsten unter den Spanplatten. Geölt und gewachst sind sie auch als sichtbarer Bodenbelag beliebt. Wegen ihres hohen Holz- und geringen Leimanteils gelten die Platten als besonders schadstoffarm. Doch sind sie das wirklich?
„OSB“ steht für „Oriented Strand Board“. Die Kiefernholzplatten bestehen aus drei Schichten von Längsspänen (Strands), die in der oberen und der unteren Schicht längs, in der Mittelschicht quer zur Plattenrichtung verlaufen. Das sorgt für ihre besondere Stabilität und ihre guten Verarbeitungsmöglichkeiten.
In Holzwerkstoffplatten finden sich eine ganze Reihe flüchtiger organischer Verbindungen, so genannte VOC („volatile organic compounds“). Entweichen sie in die Innenraumluft, bedeutet das eine Gefährdung von Umwelt und Gesundheit. Geruchsbelästigungen, Reizungen der Augen-, Nasen- und Rachenschleimhäute, Allergien bis hin zu Störungen des Nervensystems oder sogar Krebs können die Folgen sein. Vor allem harzreiche Produkte aus Kiefernholz sind nun in die Kritik geraten. Harz enthält besonders viele Fettsäuren, die wesentlich für die Bildung der VOC verantwortlich sind. Ausgerechnet OSB-Platten könnten also doch gesundheitsschädlich sein.
Die Lagerzeit ist zu kurz
In der aktuellen Diskussion geht es weniger um den Leim, sondern vielmehr um die Frage, inwieweit Inhaltsstoffe und Herstellungsverfahren der OSB-Platten selbst die flüchtigen organischen Stoffe freisetzen. Nach Meinung von Johann Müller, der als Sachverständiger für den DIN-Verbraucherrat arbeitet, besteht hier dringender Klärungsbedarf. „Bisher veröffentlichte Untersuchungen zeigen zwar, dass die flüchtigen organischen Verbindungen in der Regel nur wenige Monate lang in bedenklicher Menge freigesetzt werden. Doch Innenraumuntersuchungen in Neubauten weisen andererseits gesundheitsrelevante Ausdünstungen an flüchtigen Verbindungen auf, wenn Holzwerkstoffplatten großflächig in Wand und Decken eingesetzt wurden, so Müller. Folglich führt der Trend in der Bauwirtschaft, Wohnungen und Häuser in immer kürzerer Zeit fertig zu stellen, auch dazu, dass die Holzwerkstoffplatten nicht lange lagern und ausdünsten können. Müller fordert deshalb, weitere Untersuchungen an den praktischen Gegebenheiten auszurichten und alle Ergebnisse zu veröffentlichen.
Bislang kann auf keine Langzeiterfahrungen zurückgegriffen werden, die Aufschluss über eine Gesundheitsgefährdung durch zu hohe VOC-Konzentrationen geben könnten. Wie groß die Gefahr tatsächlich ist, lässt sich schon wegen der Vielzahl unterschiedlicher Stoffe nur schwer messen. Der „Ausschuss zur gesundheitlichen Bewertung von Bauprodukten“ (AgBB) hat ein Bewertungsschema vorgelegt, das als Grundlage für eine einheitliche gesundheitliche Beurteilung von Emissionen dienen soll. OSB-Platten wurden der Prüfung allerdings nicht unterzogen. „Verbindlich eingeführt ist die Prüfung nach AgBB-Bewertungsschema bisher nur für die Zulassung schwer entflammbarer Bodenbeläge zur Verwendung in Aufenthaltsräumen. Es soll zukünftig aber auf weitere Produktgruppen angewendet werden“, so Wolfgang Misch vom Deutschen Institut für Bautechnik (DIBt).
Die Bundesforschungsanstalt für Forst- und Holzwirtschaft in Hamburg hat eine zunehmende Konzentration von Aldehyden in OSB-Platten 59 Tage nach deren Heißpressung festgestellt. Sie müssen demnach erst nach der Herstellung entstanden sein. Doch Projektleiter Martin Ohlmeyer warnt davor, diese Ergebnisse mit dem AgBB-Schema zu verbinden. „Der AgBB legt nur den Rahmen fest, einheitliche produktspezifische Prüfkriterien gibt es für Holzprodukte noch nicht. Die Ergebnisse sind deshalb nicht miteinander vergleichbar.“ Die Erforschung von VOC-Emissionen aus Bauprodukten stehe noch ganz am Anfang, insbesondere wenn es um den Zusammenhang von Herstellung und Anwendung der Holzwerkstoffplatten gehe, so Ohlmeyer.
Kristina Simons
MieterMagazin 6/06
Klärungsbedarf: OSB-Platten sind möglicherweise nicht so schadstoffarm wie angenommen
Foto: Krono
Umweltzeichen
Einige Umweltzeichen informieren über gesundheitliche und ökologische Aspekte von Holzwerkstoffen. Mit „natureplus“ zertifizierte OSB-Platten wurden zum Beispiel speziell in Hinblick auf mögliche VOC-Emissionen geprüft. Weitere Zeichen sind der Blaue Engel oder das AUB-Zertifikat.
ks
07.05.2020