Nach der Feinstaubrichtlinie der Europäischen Union (EU) darf eine Partikel-Konzentration von 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft nur an 35 Tagen pro Jahr gemessen werden. In Berlin wurde dieser Grenzwert im ersten Halbjahr 2006 bereits an vier Messstellen häufiger als zulässig erreicht. Mit einer Beschwerde wollen Berliner Bürger erreichen, dass die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren einleitet.
Auch wenn die Beschwerde, die Rechtsanwalt Karsten Sommer Ende Juni dem Leiter der Vertretung der EU-Kommission in Deutschland, Dr. Gerhard Sabathil, übergab, nur von 450 Berliner Bürgern unterzeichnet wurde – die Problematik geht alle an. Umweltinitiativen werfen dem Berliner Senat Versagen in Sachen Feinstaub vor. Die Einführung einer Umweltzone, in der ab 2008 keine Diesel-Fahrzeuge ohne Rußfilter mehr fahren dürfen, komme zu spät. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung argumentiert indessen, dass die Hauptbelastung je nach Wetterlage aus den polnischen und tschechischen Industriegebieten komme. Manuela Damianakis, Sprecherin der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, verweist auch darauf, dass man durch die Förderung des öffentlichen Nahverkehrs der Feinstaubbelastung entgegensteuere. Effekte, die zum Beispiel mit neuen Straßenbahnlinien erreicht werden sollen, werden jedoch durch Maßnahmen wie den vierspurigen Ausbau von Straßen im Zuge der Schließung des Innenstadtrings konterkariert.
Rechtsanwalt Karsten Sommer registriert auch auf anderen Ebenen „heftiges Lobbying“ des Landes Berlin gegen die EU-Feinstaubrichtlinie. So werde derzeit massiv versucht, die EU zu einer Erhöhung der Grenzwerte zu veranlassen.
Dr. Sabathil hat die Beschwerde der Berliner Bürger inzwischen an EU-Umweltkommissar Stavros Dimas weitergeleitet. Die EU-Kommission kann erforderlichenfalls auch den Europäischen Gerichtshof anrufen, um die Durchsetzung von EU-Richtlinien zu erzwingen. Das könnte dann teuer werden für Berlin.
Rainer Bratfisch
MieterMagazin 9/06
Hauptverursacher der überhöhten Berliner Feinstaubbelastung ist der Verkehr
Foto: Paul Glaser
23.04.2013