Auf dem Berliner Wohnungsmarkt zeichnen sich weiterhin sehr unterschiedliche Trends ab. Einerseits wächst der Wohnungsleerstand weiter, andererseits schlägt sich das an sich breite Angebot nicht bei der Mietenentwicklung nieder. Die Mieten klettern in Berlin weiter nach oben, schneller als die anderen Lebenshaltungskosten. Auch in punkto Qualität bleiben aus Mietersicht am Wohnungsmarkt weiter viele Wünsche offen. Die Wohnbedürfnisse haben sich schneller verändert, „als Bedarfsanpassungen im Wohnungsbestand und durch Wohnungsneubau vorgenommen werden konnten“, bestätigt auch Berlins Senatorin für Stadtentwicklung, Ingeborg Junge-Reyer (SPD).
Wohnungsleerstand, der länger als sechs Monate andauert, ist in Berlin von 5,0 % im September 2003 auf 5,6 % im Juli 2005 angestiegen. Er betrifft nunmehr 104.500 Wohnungen, wie aus einer Stromzähleranalyse des Versorgers Vattenfall hervorgeht. Der Stichtagsleerstand ohne Abzug der Fluktuationsreserve betrug im Juli 152.300 Wohnungen und ist um 2300 angestiegen. In neun der zwölf Bezirke hat der Leerstand zugenommen. Spitzenreiter beim längerfristigen Wohnungsleerstand war im Juli 2005 der Bezirk Mitte mit 8,4 %. Besonders betroffen: die Ortsteile Mitte (9,5 %) und Wedding (8,6 %). In Marzahn-Hellersdorf wurde die zweithöchste Leerstandsquote (7,86 %) ermittelt. Allerdings nahm hier der Leerstand seit 2003 (8,25 %) deutlich ab – ein Ergebnis der dortigen Plattenbauabrisse. Abgenommen hat der Leerstand auch im Bezirk Lichtenberg (von 5,63 % auf 5,22 %). Im Ortsteil Hohenschönhausen liegt die Quote (4,3 %) inzwischen sogar unter dem durchschnittlichen Leerstandsniveau im Westteil der Stadt (4,8 %). Am niedrigsten sind die Leerstandsquoten in Reinickendorf (3,42 %) und Steglitz-Zehlendorf (3,62 %). Erstaunlich ist, dass die Quote in Friedrichshain-Kreuzberg (6,48 %) stabil ist – auf einem allerdings recht hohen Niveau.
Wohnungsleerstand ist auch eine Frage der Eigentümerschaft. Private Eigentümer verfügten 2004 über 72 % des Wohnungsbestandes, waren aber am Leerstand überproportional mit 83 % beteiligt. Im Gegensatz dazu sind nur 11 % aller Wohnungen im Besitz der Genossenschaften, die wiederum am Leerstand nur mit 3 % beteiligt sind. Der Anteil kommunaler Wohnungen ist in Berlin von 24 % im Jahr 2000 auf 17 % im Jahr 2004 zurückgegangen, deren Anteil am Leerstand von 22 % auf 15 %. Die Vermieterverbände BBU und LfW geben an, dass der Leerstand ihrer Unternehmen zu rund 45 % auf Vermietungsprobleme zurückzuführen sei. Bei 25 % sei normale Fluktuation der Grund, bei 14 % die Privatisierung oder Veräußerung und bei 13 % liege die Ursache bei Modernisierung und Instandsetzung.
Hohe Nachfrage nach preiswerten Wohnungen
Trotz Wohnungsleerstand ist eine ausgeglichene Versorgung der Berliner Bevölkerung mit Wohnraum nicht festzustellen. Vergleicht man die Zahl der Wohnungen und die Zahl der Haushalte, dann hat sich das Niveau vom Jahr 2002 (100,8 %) bis 2004 auf 99,2 % verringert. Zu berücksichtigen ist jedoch die sehr unterschiedliche Situation auf den einzelnen Teilmärkten. Eine erhöhte Nachfrage bei geringem Angebot dürfte im unteren Preissegment vorliegen – eine Erscheinung, mit der auch künftig zu rechnen ist.
Ursache für die verstärkte Nachfrage ist der Anstieg der Haushalte. Im Jahr 2004 wuchs die Zahl der Berliner Haushalte um rund 9000 auf 1.894.000. Dabei hält der Trend zu kleinen Haushalten unvermindert an. Die Zahl der Ein- und Zweipersonenhaushalte nahm um 16.000 zu, während sich die der Haushalte mit mehr als drei Personen um 7000 verringerte.
Trend zum kleinen Haushalt hält an
Berlinweit ist jeder zweite Haushalt ein Einpersonenhaushalt. In Friedrichshain-Kreuzberg liegt deren Anteil bereits bei 65,2 %, in Mitte bei 59 %. Marzahn-Hellersdorf hat hingegen weiterhin den höchsten Anteil an Haushalten mit mehr als drei Personen (28,4 %). Die Entwicklung der Haushaltsanzahl von 2000 bis 2004 ist von Bezirk zu Bezirk sehr unterschiedlich. Hohe Zuwächse in Friedrichshain-Kreuzberg (16 %) und Steglitz-Zehlendorf (10 %) stehen starken Rückgängen in Tempelhof-Schöneberg (4 %) und Lichtenberg (3 %) gegenüber.
Für die Lage der Nachfrager am Wohnungsmarkt sind nicht minder die ökonomischen Rahmenbedingungen von Bedeutung. Die Arbeitslosenquote steigt weiterhin. Sie betrug 2005 17,8 %. Bei steigenden Mieten und gleichbleibenden Nettoeinkommen wird es keine verstärkten Impulse auf dem Wohnungsmarkt geben. Vielmehr müssen viele Mieterhaushalte einen Anstieg der Mietbelastung in Kauf nehmen.
Mit 1865 Euro lag das Haushaltsnettoeinkommen in Berlin rund 300 bis 500 Euro niedriger als das in vergleichbaren Ballungsräumen. Im Ostteil der Stadt verdienen die Menschen weiterhin lediglich 92 % des West-Berliner Durchschnittseinkommens. Prekär ist die wirtschaftliche Lage vor allem in Friedrichshain-Kreuzberg, Mitte und Neukölln. Die Anzahl der Haushalte mit einem Einkommen unter 900 Euro monatlich ist von 20,7 % (2002) auf 22,7 % (2004) gewachsen. Rund 68 % aller Haushalte sind demnach zum Bezug einer Sozialwohnung berechtigt.
In Anbetracht dieser Rahmenbedingungen verwundert es nicht, dass es in Berlin zu wenig preiswerte Wohnungen gibt – trotz Wohnungsleerstand. Die Anzahl der preiswerten Wohnungen sinkt, da die Vermieter auch auf einem entspannten Markt bei bestehenden Mietverhältnissen deutliche Mieterhöhungen durchsetzen konnten. Laut Wohnungsmarktbericht seien die Mieten um rund 6 bis 7 % in zwei Jahren gestiegen. Die Analyse der Mietspiegeldaten zeigt nach Auffassung des Berliner Mietervereins sogar noch einen höheren Anstieg.
Reiner Wild
MieterMagazin 9/06
Ungleiche Verteilung: Bei privaten Eigentümern ist die Leerstandsquote höher
Foto: uh
Der Wohnungsmarktbericht 2005 ist unter
www.stadtentwicklung.berlin.de/wohnen/
wohnungsmarktbericht/index.shtml
herunterzuladen
29.07.2013