Im Sommer erholt sich mancher bei Arbeit und Aufenthalt im Garten, in der kalten Jahreszeit lässt sich die Natur in die Wohnung holen. Zimmerpflanzen haben viele Vorteile und neben ihrer dekorativen Wirkung leisten sie auch einen Beitrag zu Wohlbefinden und Entspannung. Gleichzeitig sorgen Grün & Co. für ein gesünderes Raumklima, nehmen Schadstoffe auf und geben Sauerstoff ab.
Luise Weingärtner steht in ihrem Pflanzenreich im Wohnzimmer vor den hell- und dunkelgrünen Hängepflanzen, den violetten Usambaraveilchen, zwischen Kaktus und kleinen Gummibäumen. Sie zupft hier verwelkte Blätter ab, wischt dort die großen Blätter sauber oder sprüht sie ein. „Ja, das mache ich ein paar Mal im Jahr, danach kommen sie mir viel kräftiger vor.“ Gesund und farbenfroh sehen ihre Pflanzen aus, sie strahlen förmlich. „Das hier ist mein Ruhepol, hier hole ich mir Entspannung.“
Grüne oder blühende Zimmerpflanzen sind eine wahre Bereicherung für das physische und psychische Wohlbefinden. Und sie können etwas, was künstliche Pflanzen, ob aus Seide, Stoff oder Plastik, nicht können: Sie verbessern das Raumklima. Pflanzen sind so etwas wie eine natürliche Klimaanlage. Sie verwandeln die verbrauchte in frische Luft. Menschen atmen Kohlendioxid aus, und je mehr davon in der Luft ist, desto schlapper und müder fühlen sie sich. Die Pflanzen nehmen Kohlendioxid auf und produzieren durch Photosynthese Sauerstoff. Das Kohlendioxid wird um so effektiver entsorgt, je mehr Blattoberfläche die Pflanze in der Gesamtheit ihrer Blätter hat. Große Blattoberflächen haben die Banane und Ficus-Arten.
Durch ihre besonderen Fähigkeiten tragen Pflanzen „auf vielfältige Weise dazu bei, die Qualität der Raumluft zu verbessern“, bestätigt Dr. Heinz-Jörn Moriske vom Umweltbundesamt (UBA). Auch die „Filterwirkung macht sie unersetzbar, gerade in trockenen Räumen wird viel Hausstaub aufgewirbelt.
Pflanzen binden Schadstoffe
Einzelne Pflanzen, wie Liliengewächse, können Schadstoffe wie Formaldehyd binden. Allerdings schaffen es ein paar Pflanzen nicht alleine, eine stark belastete Raumluft in eine „gesunde“ umzuwandeln. Dazu bedarf es schon eines ganzen Dschungels. Einfacher ist es, täglich ausreichend zu lüften.
Vom Gießwasser verbrauchen die Pflanzen nur einen kleinen Teil. Neun Zehntel dünsten sie aus und erhöhen die Luftfeuchtigkeit. Gerade im kalten Winter, wenn Heizungen auf Hochtouren laufen und die Luftfeuchtigkeit in unsanierten Altbauten unter 30 Prozent sinkt, dann tragen Pflanzen allgemein zu einem angenehmeren Klima bei. Besonders gut können das Zyperngras, Zimmerlinde und Birkenfeige. Die meisten Menschen fühlen sich bei einem Feuchtigkeitsgehalt der Luft von 40 bis 60 Prozent wohl. Allerdings, warnt der Innenraumhygiene-Experte des UBA, Heinz-Jörn Moriske, kann die Luftfeuchtigkeit auch zu hoch sein. „Werden in den modernen, energetisch sanierten und luftdichten Gebäuden 65 Prozent dauerhaft überschritten, steigt das Schimmelpilzrisiko.“ Für Moriske überwiegen allerdings bei Zimmerpflanzen generell die positiven Aspekte.
Beim Berliner Mieterverein (BMV) sind keine Fälle bekannt, in denen übermäßig viele Pflanzen zu Schimmelbildung und entsprechenden Streitigkeiten mit dem Vermieter führten. Der BMV rät allerdings in jedem Fall: drei Mal täglich 15 Minuten lüften. Dabei mögen die Pflanzen aber nicht in der Zugluft stehen.
Die Schimmelpilzsporen auf der Blumenerde sind ein anderes Kapitel. Für „gesunde Menschen stellen sie keinerlei Risiko dar“, erläutert Dr. Moriske vom UBA. Allerdings können sie für geschwächte Personen in Krankenhäusern und Altenpflegeheimen zum Problem werden.
Wohlbefinden und Zufriedenheit durch Pflanzen? Es ist inzwischen unbestritten, dass Pflanzen einen positiven Beitrag für die Psyche leisten, unter anderem erweisen sie sich als Helfer bei Stressabbau. Grün rege die Fantasie an und mache sensibel, sagen Psychologen. Es vertreibe trübe Gedanken und wecke die Lust auf Neues. Und Mediziner sagen dem Grün nach, es wirke hohem Blutdruck entgegen. Leuchtende Farben in allen Tönen und Düfte in allen Nuancen regen die Sinne positiv an, auch wenn sich nicht alle Menschen in mit Jasmin oder Hyazinthen gefüllten Räumen wohl fühlen – jeder reagiert individuell.
Trends und Moden
Nicht nur das Mobiliar der Einrichtung unterliegt der Mode, auch Zimmerpflanzen sind Trends unterworfen. Stand bei den Großeltern noch der im tropischen Klima heimische Gummibaum groß und wuchtig im Wohnzimmer, wurde er in den vergangenen Jahrzehnten mehr und mehr verstoßen. Im Zuge des 70er-Jahre-Retro erlebt er nach Auskunft von Lutz Grille, Geschäftsführer bei „Rothe Gartenbau“, aber ein Comeback. Ebenso der Bogenhanf, der vor allem von jungen Leuten gekauft wird. Ganz beliebt sind seit einigen Jahren panaschierte, also eingefärbte Blätter.
Die Deutschen bevorzugen farbig Blühendes in ihren Wohnungen, etwa 1,5 Milliarden Euro legten sie dafür 2005 hin. Nur knapp ein Drittel, 0,4 Milliarden Euro, gaben sie dagegen für grüne Zimmerpflanzen aus. Der absolute Favorit mit fast einem Fünftel Marktanteil ist die Orchidee. Diese Pflanze „konnte den hiesigen Bedingungen gut angepasst werden“, erklärt Experte Grille. Nun gibt sie sich mit wenig Pflege zufrieden. Der Orchidee folgen bei den Blühern der Weihnachtsstern (8 Prozent) und das Alpenveilchen (6 Prozent). In der Hitliste der Grünpflanzen stehen Efeu (7 Prozent), Birkenfeige (5 Prozent) und Drachenbaum (5 Prozent) ganz oben. Voll im Trend sind nach Lutz Grille auch Palmen und Bambus.
„Das Lebewesen Pflanze“ wird einerseits gehegt und gepflegt – andererseits ist dem Gartenfachmann aufgefallen, dass „Pflanzen oft einfach weggeworfen werden, wenn sie ausgeblüht haben“. Viele Menschen wissen einfach zu wenig über die Pflanze, die nun ihre Ruhephase braucht oder bringen die Geduld nicht auf, bis zur nächsten Blüte im Folgejahr zu warten.
Ob groß- oder kleinblättrig, stachelig wie die Kakteen oder langstielig wie das Zyperngras, ob in Hydrokultur oder Blumenerde: Grün, ob mit oder ohne Farbtupfer, sorgt für Ruhe, Entspannung und bessere Raumluft. Sich mittendrin zwischen Gewächsen der unterschiedlichsten Gattungen bewegen, hier und da etwas an den Blättern zupfen, den Zerstäuber einsetzen, seinen Pflanzen etwas erzählen, oder auf dem Sofa sitzen und statt den Fernseher die Pflanzen beobachten – so gelingt es leicht, Anspannung in Entspannung umzuwandeln und sich natürlich wohl zu fühlen.
Clara Luckmann
Als günstige Klimapflanzen gelten: Zyperngras (Cyperus), Zierbanane (Musa), Zimmerlinde (Sparmannia). Große Blätter wie an Bananen und den Ficus-Arten sind prima Staubfänger und wollen von Zeit zu Zeit mit einem feuchten Tuch gesäubert werden. Gute Formaldehyd-Entgifter sind Grünlilie, Birkenfeige und Strahlenaralie. Efeu, Einblatt, Drachenbaum, Bogenhanf und Efeutute absorbieren Benzol. Die giftige Efeutute wird als einzige Pflanze genannt, die Nikotin abbauen kann. Achtung Allergiker: Die Birkenfeige enthält einen Saft, der dem Latex ähnlich ist.
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Blütenpflanzen haben grundsätzlich einen höheren Lichtbedarf als reine Grünpflanzen. Licht ist neben der Temperatur ein Reiz für die Blütenbildung. Hell, aber ohne direkte Sonne, lieben es neben Gummibaum, Zimmerlinde, Yucca und Bogenhanf auch die buntblättrigen Pflanzen. Stehen sie zu dunkel, verschwindet die attraktive Zeichnung der Blätter. Standortentscheidend ist eher die Himmelsrichtung – nicht, ob die Pflanzen im Wohn-, Kinder- oder Schlafzimmer stehen.
Einen Platz in praller Sonne am Südfenster vertragen nur Wüstenbewohner wie Kakteen und andere Sukkulenten, also zum Beispiel Ananas-, Wolfsmilchgewächse, Agaven und einige Palmenarten wie Yucca und Dattelpalme. Auch attraktive Blühpflanzen wie Passionsblume und Bougainvillea gedeihen hier.
Am Nordfenster kommen die traditionsreichen Alpenveilchen, Hortensien und Usambaraveilchen zu voller Blüte. In der Küche wächst fast alles, denn, so der Experte Lutz Grille: „Normale Pflanzen sind so tolerant, dass Luftfeuchtigkeit keine Rolle spielt.“ Sie brauchen lediglich einen hellen Platz. Im Bad ist meist nicht viel Platz, aber Efeu und kleine Farne kommen auch mit wenig Tageslicht aus und gedeihen gut in feuchten Räumen.
Schwarzteereste und abgestandenes Mineralwasser sind für viele Pflanzen zum Gießen geeignet. Die Pflanzen geraten in Stress bei Staunässe, Trockenheit und zu häufigem Düngen. Außer Kakteen und Sukkulenten mögen nur wenige Pflanzen auf der in Betrieb befindlichen Heizung stehen.
cl
MieterMagazin 11/06
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alle Fotos: Kerstin Zillmer
Grüne oder blühende Zimmerpflanzen sind eine wahre Bereicherung für das physische und psychische Wohlbefinden
Pflanzen verbessern die Qualität des Raumklimas
Pflanzen sind so etwas wie eine natürliche Klimaanlage – sie verwandeln die verbrauchte in frische Luft
Zum Weiterlesen:
Karlheinz Rücker:
Die Pflanzen im Haus.
Eugen Ulmer Verlag, 2004, 19,90 Euro,
ISBN 3-8001-4905-2
Margot Schubert:
Wohnen mit Blumen.
BLV-Verlag 2005, 9,95 Euro,
ISBN 3-405-17016-8
Alfons Bürger:
Orchideen für Wohnraum und Büro.
Eugen Ulmer Verlag,
4. Auflage, 2006, 12,90 Euro,
ISBN 3-800-16405-1
29.11.2015