Der Finanzinvestor Fortress will 19,95 Prozent seiner Gagfah-Aktien über einen Börsengang verkaufen und damit das eingesetzte Kapital refinanzieren. Der Aktienverkauf wird unverhohlen beworben mit den Mietsteigerungsmöglichkeiten, die bei der Gagfah noch gegeben sein sollen. Der Börsengang macht die von Sozialministerin Ulla Schmidt (SPD) so hochgelobte Sozial-Charta zur Farce.
Im Juli 2004 verkaufte die der Sozialministerin unterstehende Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) die Gagfah-Aktien und damit rund 81.000 Wohnungen bundesweit – davon rund 24.000 in Berlin – an den amerikanischen Finanzinvestor Fortress. Mehr als 2 Milliarden Euro wurden nach Abzug der Verbindlichkeiten in die BfA-Kasse gespült. Fortress kaufte weiter die niedersächsische Landesentwicklungsgesellschaft NILEG, und die Dresdner WOBA kam zur Gagfah hinzu. Über rund 150.000 Wohnungen verfügt Fortress in Deutschland und hat dafür fast 7 Milliarden Euro bezahlt. Ziel der Gagfah ist es nun, den Aktionären eine wachsende Rendite auszuzahlen. Rund 8 Milliarden Euro seien die Wohnungen insgesamt wert, etwa 1,5 Milliarden Euro könnten an die Aktionäre ausgezahlt werden.
Mit dem Teilverkauf der Gagfah-Aktien soll auch der Erwerb weiterer Wohnungen finanziert werden. Der Gewinn, so heißt es im Börsenprospekt, könne durch weitere Mieterhöhungen gesteigert werden. Denn durchschnittlich liegen die Mieten des Portfolios rund 9 Prozent unter dem marktüblichen Niveau. „Die Zeche zahlen also die Mieter“, prognostiziert Mieterbunddirektor Dr. Franz-Georg Rips.
Die bei Verkauf der Gagfah im Jahr 2004 den Mietern über eine Sozial-Charta versprochenen Mietbegrenzungen sind Makulatur. Angeblich dürfen die Mieten bis zum 30. September 2009 um nicht mehr als den Verbraucherpreisindex zuzüglich 1,5 Prozentpunkte steigen – allerdings nicht auf das einzelne Mietverhältnis bezogen, sondern auf die Gesamtmietenentwicklung im Unternehmen. Für die Mieter ist die Regelung ohnehin nicht nachvollziehbar. Ein Wirtschaftsprüfer soll die Erfüllung der sozialen Auflagen aus dem damaligen Verkauf in einem Bericht an die BfA-Nachfolgerin Deutsche Rentenversicherung abgeben, wo dieser dann mutmaßlich in einer Schublade verschwindet. Es scheint sich also zu bestätigen, dass die hohen Gewinnerwartungen der Anleger die Mieten hochtreiben. „Mit dem Gagfah-Börsengang werden aus standortgebundenen Immobilien endgültig weltweit handelbare Kapitalanlageprodukte“, kritisierte Rips, „die Wohnungen werden jetzt durchgehandelt wie Autos oder Schweinehälften“.
Reiner Wild
MieterMagazin 12/06
Mieterhöhung nach dem Börsengang? Wohnungsbestände der Gagfah
(hier in Bielefeld)
Foto: M. Ehrlich/Archiv Gagfah
28.07.2013